Isländerflechte

[450] Isländerflechte, Lichen islandicus, L. [Zorn. pl. med. Tab. 138.] eine aufwärts steigende Flechte, deren glatte Blätter am Rande aufgebogen, und befranzt sind, mit Schildchen an den Enden, wächst an steinichten Orten in den unfruchtbarsten Nadelwäldern des kältern Europa und andrer hohen Gebirge. In drei Jahren erhält sie ihre volle Größe. Sie schmeckt etwas bitterlich und löset sich durch langes Kauen im Munde zum Schleim auf.

Wenn man sieht, daß in den kalten Gebirgsgegenden, wo diese Pflanze häufig wächst, ganze Herden Vieh davon binnen wenigen Wochen fett werden, daß in Island die stärksten Arbeiter beim[450] Genuß dieses Moses, statt aller Nahrung, kräftig bleiben (man schätzt einem Theile, dem Maase nach, Rogken zwei Theile Isländermos an Nährkraft gleich), so wird es einleuchtend, wie man darauf gekommen ist, es abgemagerten, und lungensüchtigen Kranken als Heilmittel in Abkochung zu verordnen, wo es oft große Dienste gethan hat, wiewohl es auch im Kitzelhusten nach Ausschlagsfiebern, im habituellen Erbrechen und in Diarrhöen von Schärfe hülfreich gewesen ist. Die Bitterkeit darin scheint bei einigen Kranken den Leib, mehr als nöthig, zu eröffnen. Durch vier und zwanzigstündige Einweichung in kaltes Wasser, durch lange Aufbewahrung an freier trockner Luft, oder in kürzerer Zeit, durch völliges Trocknen in einem Backofen, bei etwa 160° Keaum, vergeht diese Bitterkeit größtentheils und blos etwas adstringirendes darinn und die nährenden Theile, welche mit dem Stärkemehl überein zu kommen scheinen, bleiben zurück; doch ist die Bitterkeit im Ganzen dem Magen zuträglich.

Es erfordert vielstündiges Kochen, ehe es mit Hülfe gelinden Auspressens seinen gallertartigen Schleim hinlänglich von sich giebt, oder sich völlig zum nährendstärkenden Breie auflöst.

Man sammelt es bei feuchter, regnichter Witterung ein.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 450-451.
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