Katzenbaldrian

[476] Katzenbaldrian, Valeriana officinalis, L. [Zorn, pl. med. Tab. 117.] mit durchgängig gefiederten und gezahnten Blättern, vorzüglich aber die kleinere, etwa zwei Schuh hohe Abart, mit schmalern, nicht glänzenden Blättern, welche auf bergichten, trocknen Plätzen zwischen Steinhaufen wächst, und im Juny röthlich weiß blüht.

Diese einzig zum Arzneigebrauche anzuwendende Pflanze unterscheidet sich von der zweiten unkräftigen Abart dadurch, daß letztere in allen ihren Theilen weit größer ist, breitere, glänzende Blätter hat, auf vier bis sechs Schuh hoch, an Grabenrändern, vorzüglich aber in sumpfigen Gebüschen an Wiesen wächst, und daß dieser letztern ihre Wurzel etwas größer, als die der schmalblätterigen, auswendig aschfarbig, inwendig weißlicht und schwammig, in der Mitten holzig und um das Mark schwärzlich oder hohl, mit dickern und blassern Fasern besetzt, von geringerm Geruche, und schwachem, süßlichtem Geschmacke ist.

Noch sorgfältiger aber ist sie zu unterscheiden von dem fast ganz unkräftigen, oft dafür, leider! gesammelten Sumpfbaldrian, welcher kleiner ist, und ganz glattrandige Blätter hat.

Die im Frühling, wenn noch kein Stengel, sondern nur die ersten Blätter hervorgesproßt sind, zu sammelnde Wurzel des schmalblätterigen Katzenbaldri ans (rad. valerianae syluestris, minoris) besteht aus einem kleinen Kopfe, der sich gleich in viele dünne, etwas zähe Zasern zertheilt, auswendig braune, inwendig weißlicht mit einem grünlichem Kreise um das Mark, von Kopf einnehmendem, ziemlich widrigem Geruche und beißend gewürzhaft, bitterlichem, unangenehmen Geschmacke ist. Die Katzen lieben den Geruch dieser Wurzel sehr, und verunreinigen sie gern mit ihrem Harn.

Das, beim gelindesten Feuer aus dem Aufgusse (nicht Abkochung) einzudickende wässerige Extrakt, wovon man etwa 1/3 der Wurzel erhält, ist sehr kräftig, noch weit kräftiger aber das mit Weingeist bereitete, wovon man etwa 1/4 bekömmt. Sechzehn Pfund geben in der wässerigen Destillation etwa drei Loth grünliches, sehr stark riechendes, mild schmeckendes Oel.

Ihre Wirksamkeit in der Fallsucht, im Veitstanz und andern Krämpfen von Beweglichkeit der Faser und Würmern ist bestätigt; auch in Hysterie, im einseitigen Kopfschmerz, im Schwindel, in Blödsichtigkeit, dem schwarzen[476] Staare, Lähmung, Würmern, Wechselfiebern, Bleichsucht und so weiter.

Sie ist etwas hitzig, und verursacht bei Empfindlichen oft starke Ausleerungen.

Man hebt sie im Schatten wohl getrocknet, und ungepülvert in verstopften Flaschen oder zinnernen Schraubenbüchsen eingedrückt, vor der Luft verwahrt, auf, weil sie leicht ihre besten Kräfte verliert; und gleichwohl muß sie alljährig erneuert werden.

Die beste Form ist das Pulver, dann das geistige Extrakt, dann der wässerige Aufguß, zuletzt das wässerige Extrakt.

Das ätherische Oel besitzt die konzentrirtesten Kräfte der Wurzel.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 476-477.
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