Kienfichte

[483] Kienfichte, Pinus syluestris, L. [Zorn, pl. med. Tab. 526.] mit Paaren steifer Blätter, und eirund kegelförmigen, oft paarweisen Zapfen, von der Länge der Blätter und mit länglicht stumpfen Schuppen, ein Baum auf sandigem Boden des gemäßigten und kältern Europas.

Man bedient sich der harzig bitterlich schmeckenden jungen Aeste und Sprossen (turiones, Summitates,[483] fälschlich Coni, Strobili pini) im Absude als eines Harn und Schweißtreibenden Mittels; auch im Scharbock, und in gichtischen Beschwerden haben sie Dienste geleistet. Das aus den noch grünen Zapfen (Coni, strobili pini) vermuthlich ohne Wasser destillirte Oel (Tannzapfenöl, Tempelöl, Ol. templinum) ist von grünlichgoldgelber Farbe, starkem, nicht unangenehmem Geruche und ölichtem brennendem Geschmacke. Sein Gebrauch ist empirisch bei Nierenschmerzen, Gicht, Lähmung und Wassersucht, sowohl äußerlich als innerlich zu etlichen Tropfen.

Der durch Aufhauen der Rinde zur Sommerzeit in untergesetzte Gefäße fließende gemeine Terbenthin (Terebinthina communis) ist ein dickflüssiges Harz von trüber graugelblicher Farbe, einem eignen, starken Geruche und bitterm Geschmacke. Innerlich reizt er die Harnwege heftig, oft bis zur Entzündung, kann aber für schlaffe Körper bei Nachtrippern aus Gewohnheit und als Leib eröfnendes Mittel in Emulsionen Dienste leisten. Aeußerlich wirkt er reizend und balsamisch in alten, schlaffen Geschwüren.

Aus ihm wird in der Destillation mit Wasser ein dünnes, starkriechendes, leichtes Oel erhalten, (Kienöl, Terbenthinöl, Ol. Pini, Terebinthinae), welches, nochmals übergetrieben, ätherisches Terbenthinöl (Ol. terebinth. aether.), auch wohl (uneigentlich) Terbenthingeist (Spir. terebinthinae) genannt wird. Erhitzung des Blutes, und heftiger Trieb auf Harn und Schweiß sind seine innern Wirkungen, wodurch seine Kraft, Gallsteine aufzulösen, größtentheils unbrauchbar wird. Aeusserlich zertheilt es kalte Geschwülste, und dient in Flechsen- und Nervenverletzungen, so wie zum Blutstillen.

Der Rest von dieser Destillation ist ein weißes, hartes, geruch- und geschmackloses Harz, gekochter Terbenthin (terebinthina cocta) genannt, welcher im freien Feuer geschmolzen, bräunlich und zu Geigenharz (Colophonium, Resina nigra) wird. Beide dienen, mit Weingeist besprengt, äußerlich zur Zertheilung kalter Geschwülste, und kommen zu verschiedenen Pflastern.

Das im Winter um die Oefnungen, woraus im Sommer der Terbenthin geflossen, sich anlegende gemeine Harz, Fichtenharz (Resina communis) ist braun oder röthlich, und hart, wird aber zwischen den Fingern weich und zähe, und enthält etwas ätherisches Oel in seiner Mischung. Es wird ebenfalls zu Pflastern gebraucht, und giebt über dem Feuer geschmolzen, bis es allen Terbenthingeruch verloren hat, ebenfalls eine Art von Geigenharz.

Die vom Mai bis July erscheinenden männlichen Blüthen geben in Menge einen Staub, den man an der Stelle des vom Bärlappkolbenmose (w.s.) sammelt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 483-484.
Lizenz: