Krähenaugenschwindelbaum

[509] Krähenaugenschwindelbaum, Stryclinos nux vomica, L. [Zorn, pl. med. Tab. 343.] mit eiförmigen Blättern, stachellosem Stamme und Blüthenafterschirmen an den Spitzen, ein auf sandigen Plätzen von Malabar und Zeylon einheimischer, im Heu- und Erntemonat blühender Baum.

Die goldgelben runden Früchte enthalten unter einer zerbrechlichen glatten Schale ein weißes, schwammiges, schleimiges Mark, worin ungefähr acht Samenkerne liegen, die Krähenaugen (vomica nux), welche rund, platt, weißgrau, mit glänzenden, feinen, kreisförmig laufenden Haaren besetzt, in der Mitte etwas vertieft, von hornartiger Härte und höchst bitterm Geschmacke sind.

Die gilblichen und schwersten sind die besten.

Am besten werden sie vor dem Pülvern im Mörsel, geraspelt.

Daß sie einer Menge von Thieren, vorzüglich dem Hundsgeschlechte schon in kleiner Menge Gift sind, ist bekannt. Auch für den Menschen sind sie als Gift angesehen worden, welches alle starkwirkende Arzneien in großen Dosen sind; auch die Krähenaugen hatte man in ältern Zeiten zu einem Quentchen, in den neuern aber, zu einem Skrupel (beides gefährlich große Gaben!), versucht und allzu heftig befunden.

Kleinere Gaben zu fünf, acht Gran für Schwächliche, und zehn bis zwölf Gran für Stärkere, haben sich als merkwürdiges Heilmittel erwiesen, vorzüglich bei allzu großer Empfindlichkeit und Beweglichkeit der Faser (zuerst der der natürlichen, dann der thierischen, zuletzt der Lebensverrichtungen) und den daher rührenden klonisch krampfhaften und schmerzhaften Uebeln, besonders solchen, die einen periodischen Typus haben, selbst wenn das Gehirn dabei leidet, wie ich nicht selten beobachtet habe. In allzu großer, nicht allmählig erhöheter Gabe zu siebenzehn und mehr Gran bringen sie einen allgemeinen tonischen Krampf in allen Fasern zuwege, mit großer Herzensangst, Schwindel und Unbesinnlichkeit. Viel warmen, starken Hollunderblüthenthee habe ich als Gegengift dawider hülfreich gesehn; er befördert einen allgemeinen, heftigen Schweiß, und die Spannung, Angst und Besinnungslosigkeit lassen bald nach. Auch Kaffee scheint Gegengift zu seyn.

Diese Samen tödten auch Eingeweidewürmer, selbst den Bandwurm. Erbrechen erregen sie nicht (wie die Alten wähnten), eben so wenig Stuhlgang; vielmehr das Gegentheil in hohem Grade.

Die Krähenaugen müssen wegen des Misbrauchs zur Tödtung nützlicher Hausthiere, mit der Zurückhaltung, wie Gifte (w.s.), aufbewahrt und dispensirt werden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 509.
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