Magensaft

[49] Magensaft (Succus gastricus), ist die thierische Flüssigkeit, welche aus den Mündungen der absondernden Gefäße durch die Sammethaut in den Magen dringt, und bei Verdauung der Speisen die Hauptrolle spielt. Nach der Natur der verschiednen Thiere und ihrer Nahrung ist er verschieden, bei denen, die von thierischen und gewächsartigen Substanzen zugleich leben (wie der Mensch) ist er dünn, schwachsalzig, weder sauer noch laugensalzig, und schwer zur Fäulniß geneigt; bei den bloß Fleischfressenden ist er gesalzen und sehr bitter, enthält außer einer Art Salmiak, auch hervorstechende Säure, vermuthlich Phosphorsäure, löset Knochen auf, und ist ungemein fäulnißwidrig; bei Pflanzen fressenden Thieren, die nur Einen Magen haben, ist er wässericht, gallerartig und etwas säuerlich, bei Gras fressenden, wiederkäuenden Thieren besitzt er ein freies Laugensalz, und ist zähe, bei den Vögeln ist er säuerlich. Die beiden letztern Arten sind, so wenig bekannt auch ihre innere Natur noch ist, als äußerliches Arzneimittel angewendet worden. Den von Vögeln, von schwarzen und aschgrauen Krähen, Falken und Geiern hat man in faulichten, brandigen, skrophulösen und solchen Geschwüren, welche harte Ränder haben, mit Nutzen angewendet; innerlich soll er bei hartnäckigen Wechselfiebern die Kraft der Rinde verstärkt haben. Den von wiederkäuenden Thieren, dem Rinde, dem Schaafe u.s.w. (er wird in dem ersten Magen gesammelt, wenn diese Thiere vor dem Schlachten einen Tag gehungert haben,) hat man als ein zertheilendes Mittel äußerlich aufgelegt. Der Magensaft der bloß Fleischfressenden zeigt sich als das fäulnißwidrigste Mittel in faulen Geschwüren, im Krebse; seine innerliche Anwendung könnte bei verschluckten Knochen Statt finden, so wie der von Körner fressenden Vögeln zur Zerkleinung verschluckter kieselartiger Steine. Thieren, die man zur Gewinnung des Magensaftes nicht in Menge töden kann, giebt man ausgedrückte Schwämme zu verschlucken, woran Fäden befestigt sind, woran man sie wieder[49] auszieht, und dann drückt man den eingesognen Magensaft aus. Die Thiere müssen kurz vorher nicht gefressen haben.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 49-50.
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