Manna

[56] Manna ist ein eingetrockneter, klebriger, blaßgelber, durchscheinender Saft von kühlendem, schleimicht süßem, etwas ekelhaftem Geschmacke, und etwas widrig süßlichem Geruche. Sie löset sich in Weingeist (in 8 Theilen) und in Wasser auf, (drei Theile Wasser können in der Kälte, gleiche Theile aber in der Hitze einen Theil Manna aufgelöst erhalten,) und verdickt sich in der Kälte zu Klumpen, die innerlich eine fedrichte Krystallisation zeigen. Diese Eigenschaft und die Leichtigkeit und Murbigkeit der Stücke, ihr eigner Geschmack und Geruch und der Umstand, daß sie sich im Wasser gänzlich auflöst, (oder doch nur 1/16 übrig läßt,) unterscheidet die Manna von allen trüglichen Gemischen aus Honig, Skammonium, Sennsblättern und den Versetzungen mit Zucker.

Man sammelt sie vornämlich in Sizilien, Kalabrien und Apulien von einigen Arten von Eschen.[56]

Die beste Sorte (Manna in lacrymis, Manne en larmes,) schwitzt von selbst aus dem Stamme und den glatten Aesten (Manna spontana) als ein heller Saft von der Mitte des Juny bis Ende July, und verhärtet in der Sonnenhitze zu trocknen, weißen Klümpchen. Ihr ungeheurer Preis aber läßt sie nicht bis zu uns.

Die im Handel gewöhnlichen Sorten entstehen alle durch Einschnitte, die in den Stamm und endlich auch in den Aesten gemacht werden (Manna sforzatella) von der Mitte des Augusts bis Ende Septembers, wo der eintretende Regen der Arbeit ein Ende macht.

Die gemeine Sorte (Manna vulgaris) sind zusammenhängende Stücken von verschiedner Gestalt und Größe von mehr oder minderer Reinigkeit, mit mehr oder weniger weißen Stücken vermischt. Man sortirt sie. Die ausgesuchten weißen Stückchen bekommen den Namen der auserlesenen Manna (Manna electa, granulosa, in granis). Am häufigsten findet man die reinen Stücken in der kalabrischen (Manna calabrina) als der besten im Handel bekannten, wenn man sie von Giaraci im jenseitigen Kalabrien und von Capachi aus Sizilien erhält. Die übrige Manna ist schlecht (Manna in sortis, crassa, pinguis), gewöhnlich schmuzig und feucht. Man bedient sich ihrer wenig.

Diese gewöhnlichen Sorten entstehen von dem aus den Einschnitten zuerst als ein dünnes Wasser fließendem Safte. In verwelkten und hohl getrockneten Kaktusblättern fängt man ihn auf, läßt ihn in der Sonnenwärme trocknen, und mischt die am Baume verhärteten Stücken darunter.

Nach einiger Zeit, vorzüglich bei der größten Hitze, dringt ein immer dicklicherer Saft aus diesen Einschnitten, welchen man an kleinen angebundenen hölzernen Stäben oder Stroh sich verdicken läßt. Oder man schneidet länglichte Streifen von der Rinde des Baumes aus, und läßt den sich darin sammelnden dicklichen Saft verhärten. Dieß sind rinnenförmige, jenes röhrichte Mannastäbe, beide unter dem Namen Manna in cannoli, canellata, cannulata, longa, von größter Reinigkeit und ganz im Wasser auflöslich. Sie ist selten, und leicht durch die andre reine, ausgelesene Sorte zu ersetzen.

Zu einer oder zwei Unzen in Auflösung ist die Manna eine der gelindesten, am wenigsten reizenden antiphlogistischen Laxanzen.

Mit etwas wenigem, etwa einem Achtel Wasser über jählingem Feuer geschmolzen, durch ein wollenes Tuch geseihet und in Formen ausgegossen, entstehen die Mannamorsellen (Manna tabulata).

Man sammelt die Manna vorzüglich von der wenigstens zehnjährigen

Blüthenesche, Fraxinus Ornus, L. [Zorn, pl. med. tab. 574.] mit sägeartig gezahnten Blättern und Blüthen mit Blumenkronen, einem zwar auch in Krain und in Kärnthen einheimischen, so wie in unsern Pflanzungen ausdauernden, aber nur im südlichen Europa Manna ausschwitzenden, 16 Fuß hohen Baume.[57] Er blüht im Mai und Juny weiß.

Am ergiebigsten aber an Manna, und am häufigsten in den heißen Gegenden zu dieser Absicht gebaut findet man die

Mannaesche, Fraxinus rotundifolia, Mill. mit eiförmigen gekerbten, wellenförmigen Blättern, einen zwar in Sizilien, Kalabrien und im Kirchenstaate einheimischen, doch auch unsre Winter ertragenden Baum mit purpurrother Blüthe.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 56-58.
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