Meerzwiebelsquille

[79] Meerzwiebelsquille, Scilla maritima, L. [Zorn, pl. med. tab. 380.] mit nackten Blumendecken und mit in einem Gelenk aufwärts gebognen Deckblättchen, ein an den sandigen Ufern von Krain, der Normandie, Sicilien, Spanien, Portugall, Syrien und dem nördlichen Afrika wohnendes, mehrjähriges Kraut, welches im Erndemonat weiß blüht.

Die etwa faustgroße und größere länglichte Zwiebel (Scilla, Squilla, Rad. Scillae, Squillae) ist äußerlich gewöhnlich roth, innerlich weißgilblich, aus vielen Lagen fleischiger Häute zusammengesetzt, geruchlos, und frisch, von sehr scharfem, brennendem, ekelhaft bitterm, langanhaltendem Geschmacke. So ganz bekömmt man sie zuweilen geschickt aus Spanien und Natolien, und sie erhält sich in dieser Verfassung lange Zeit frisch und sehr wirksam.

Man hat eine (äußerlich) weiße Sorte (Rad. Scillae albae maj.) welche kleiner und weniger kräftig ist. Oft kömmt sie aber auseinander geblättert zu uns, in länglichten, zwei Zoll langen, weißen, erhabnen, hornartig durchsichtigen, trocknen Schuppen von blos ekelhaft bitterm Geschmacke. Die große Schärfe der frischen Zwiebel, die auf der Haut Blasen ziehen kann, geht im Trocknen ganz verloren.

Die noch ganze Zwiebel wird, um sie zum Pülvern trocknen zu können, (sie verliert im Trocknen vier Fünftel) aus einander geblättert und die auf Sieben ausgebreiteten Schuppen auf einem Backofen oder in der Wärmstube dürre gemacht. Noch geschwinder und leichter wird sie getrocknet, wenn man sie, noch ganz, queerdurch in dünne Scheibchen schneidet, und, wie gesagt, trocknet (Scilla siccata). Bei der alten, jetzt verworfnen Art, buk man sie, in Brodteig eingehüllt, im heißen Backofen (Scilla cocta) entweder ganz, um ihr, wie man wähnte, die Schärfe zu benehmen und die Blätter dann, einzeln an Fäden gereiht, in der Luft zu trocknen, oder indem man die auseinander geblätterten frischen Schuppen in Teig eingewickelt, so lange im heißen Ofen ließ, bis alle Feuchtigkeit davon war. Mit dieser Feuchtigkeit zog sich aber auch die meiste Kraft in den Teig, und das Mittel ward unwirksam.

Das Trocknen an der Luft ist unrathsam, weil sie ohne beträchtliche Wärme (wenigstens 160° bis 180° Fahr.) schimmelt.

Nur die wohlgetrocknete Squille kann gepülvert werden, aber nur in kleinen Portionen, weil sie als[79] Pulver bald unkräftig wird, außer in wohlverstopften Gläsern. Die Squille besteht fast blos aus einer großen Menge Schleim, worin der eigentlich wirksame Theil, ein höchst bitteres Harz, fast unabscheidbar eingewickelt ist. Daher zieht der Weingeist nur sehr wenig aus, und vom Wasser wird sie fast ganz, blos mit Hinterlassung der häutigen Theile, zu einem zähen, trüben Schleime aufgelöst. Nur bei lang fortgesetzter, gelinder Hitze läßt sich hieraus das Extrakt (Extr. Scillae) eindicken; es brennt sehr leicht an.

Die Auflösung in Essig (Acet. scillit.) und in Wein (Vinum scillit.) sind fast eben so schleimig und können blos durchgepreßt, aber nicht durchgeseihet werden. Am wenigsten schleimig und am kräftigsten ist die rothbraune Tinktur, welche entsteht, wenn man die gepülverte Squille, mit einer konzentrirten Potasch- oder Ammoniaklaugensalzauflösung durchknetet, und dann mit Weingeist gemischt, durchseihet. Die Squille erregt Aengstlichkeit, Ekel, auch wohl Brechen und Purgiren; sie treibt die Harnorgane zur Thätigkeit und befördert die Absonderung des Brustschleims. Man hat sie in Geschwulsten und Verschleimung der Lungen sehr dienlich gefunden, wo träger Blutlauf zum Grunde lag und noch Körperkräfte genug vorhanden waren. Im entgegengesetzten Falle schadet sie, so wie sie überhaupt die Verdauungskräfte schwächt, zu Krämpfen disponirt und die Skirrhen leicht bösartig macht. Sie erregt die Monatzeit und den Goldaderfluß.

Das Pulver ist die kräftigste Form zu einem viertel bis zu etlichen wenigen Granen; der Meerzwiebelessig macht mehr Aengstlichkeit und Uebelkeit als die andern Präparate; doch thut dieß auch der Meerzwie belwein; den Meerzwiebelessighonig zieht man in dieser Absicht vor.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 79-80.
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