Reißbley

[41] Reißbley, Graphites Plumbago, Gm. eine dunkelbleifarbig, metallisch glänzende, völlig undurchsichtige mineralische Substanz von 2,267 spezifischem Gewichte in gewöhnlich ungeformten, oder doch krummschiefrigen, leicht abfärbenden Stücken und fettig anzufühlen; ein wahres Metall. Das derbste, reinste und vom feinsten, fast ununterscheidbaren Korne bricht bloß in Barrowdale in der Grafschaft Cumberland in England, und kömmt nur unter der Hand und äußerst selten in Massen, gewöhnlich nur zersägt und als so genannte englische Bleistifte, in Holz gelegt, zu uns. Die übrige käufliche Menge aus andern Ländern ist mürber, von gröberm Korne, und häufig mit Eisenkalk und thonartigem Gestein durchwebt. Es bricht in Deutschland unter andern in Menge in Yps bei Regensburg und Passau, bei Haffnerzell und Pfaffenmuth im Oesterreichischen, und bei Böhmischbrode und Procop in Böhmen, in welchen drei Gegenden man es mit etwas Thon vermischt und Schmelztiegel daraus verfertigt, die allesammt den Nahmen Passauer oder Ypser Tiegel führen. Aus[41] diesen Gegenden bringt man auch viel rohes Reißblei in den Handel unter den Nahmen, Eisenschwärze und Wasserblei (Plumbago), dessen man sich zur Bestreichung des Gußeisens, um es vor dem Roste zu verwahren, zur Einschmierung der Näderzapfen in großen Maschinen, die Friktion zu vermindern und zu andern Behufen bedient.

Das reine Reisblei wird bei äußerst langwierigem Feuer unter Zutritt der freien Luft in seinem Wesen nicht verändert, sondern nur verflüchtigt, ohne Geruch; durch die Salpetersäure leidet es keine Aenderung. Diese Eigenschaften unterscheiden es hinreichend von dem ächten Wasserblei oder Molybdän (Molybdaena vulgaris, Gm.), womit es häufig verwechselt worden ist. Dieses weit seltenere Mineral oder Metall ist von hellem bleifarbigem Metallglanze, gewöhnlich von biegsam blätterigem Gewebe, von 4,569 spezifischem Gewichte, bricht in quarzigen Geschieben öfters bei Zinnerzen (z.B. zu Altenberg), und verdampft beim Zutritt der Luft im Glühefeuer mit Rauche und blauer Flamme und unter Sublimation weißer Blumen, dem Wasserbleikalke, in den man es auch durch Kochen mit zwanzig Theilen Salpetersäure verwandeln kann.

Außer dem Nutzen des Reißbleis zu solchen Schmelztiegeln (w.s.), welche schnell abwechselndes Feuer ertragen und zu chemischen Oefen (aus der größten Sorte Ypser Schmelztiegel bereitet) ist es auch in ältern Zeiten (ganz empirisch) gegen Kolik und im Nierengriese innerlich gebraucht worden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 41-42.
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