Silber

[215] [215] Silber, (Argentum) ein bekanntes, schätzbares Metall von geringem, angenehmem Klange, vom weißesten Glanze (der sich nicht an der atmosphärischen Luft ändert, aber von hepatischem Gas schnell braun oder schwarz anläuft) ohne Geruch und Geschmack von höchstens 1,095 eigenthümlichem Gewichte und etwa bei 1000° Fahr. schmelzbar, im Feuer nicht verkalkbar, und selten rein, gewöhnlich mit andern Metallen verbunden in Bergwerken zu finden.

Der Apotheker bedient sich des Blättchensilbers (Argentum foliatum), um aus Luxus die Pillen zuweilen damit zu versilbern, ein Verfahren, wodurch diese ohnehin schon in unserm Magen schwerauflösliche Arzneiform nur noch unauflöslicher und unwirksamer wird. M. unter Pillen. Da man aber auch unächtes Blattsilber, aus Zinn, verfertigt, so dient die Probe, daß man ein Blättchen davon in lauwarme Salzsäure wirft; es wird unaufgelößt bleiben, wenn es ächt, das ist feines Blattsilber war, hingegen sich auflösen, wenn es unächtes, das ist, Zinn war. Das auch ächte Blattsilber sollte doch auch vor der Anwendung zum Versilbern der Pillen, erst durch aufgegossenen einfachen Salmiakgeist geprüft werden, ob eine entstehende blaue Farbe auf Kupfer deutet.

Man hat zwei Präparate in der Arzneikunde vom Silber, die sogenannten Silberkrystallen und den Sil berätzstein, beide aus Silber und Salpetersäure zusammengesetzt, und nicht weit von einander verschieden.

Hiezu, schreibt man gewöhnlich kupellirtes Silber vor, weil es zu dieser Absicht fein und kupferfrei seyn muß. Diese Reinigung mit dem Silber vorzunehmen, ist der Apotheker gewöhnlich nicht eingerichtet; er kauft es also zu sehr theuerm Preise, und erhält auch dann wohl nicht einmahl feines, weil auch das kupellirte nicht frei von Kupfer zu seyn pflegt. Diesen mislichen Umstand aus dem Wege zu räumen, darf man blos das beste Silber, was sich am leichtesten haben läßt (wenn keine feinen Harzgulden, oder augsburger Filigrainsilber bei der Hand ist) z.B. Bruchsilber von augsburger Geräthen oder Konventionsgeld in einer zureichenden Menge Salpetersäure in der Wärme bis zur Sättigung auflösen, und dann so weit in einer porzellainenen Schale abdampfen, bis bei der Erkaltung das Silbersalpetersalz häufig in dünnen blättchen- und tafelartigen Krystallen anschießt.

Am besten wird die Bereitung im Winter vorgenommen, damit die größere Kälte das Silbersalz möglichst rein auskrystallisire; in andern Jahrszeiten muß man sich zum Anschusse mit dem Keller begnügen.

Von dem Anschusse gießt man die blaue kupferhaltige Lauge ab, läßt das Silbersalz auf einem Filtrum von Fließpapier vollends abtröpfeln, wickelt das Salz in das noch etwas feuchte Filtrirpapier ein, und bringt diesen Klumpen zwischen zwanzig- oder dreisigfaches trocknes Fließpapier und legt ein Bretchen mit einem mäsigen Gewicht oben drüber, welches man von Stunde zu Stunde vermehrt,[216] bis das Salz auf das stärkste gepresset ist; man nimmt den Salzkuchen, so wie er ist, in dem Filtrirpapiere, hervor, und versucht ihn zwischen trocknem Fließpapier noch einmahl zu pressen, mit den stärksten Gewichten.

Mit dem, was aus der blauen Lauge noch durch Abdampfen und Krystallisiren in der Kälte an Silbersalze herausgebracht werden kann, verfährt man auf gleiche Weise.

Durch diese Auspressung wird der Silbersalpeter ganz schneeweiß und fast völlig vom Kupfersalpeter befreiet, wenigstens so weit als zur Verfertigung des schönsten Silberätzsteins zureicht.

Um nun Silberätzstein (Höllenstein, Lapis infernalis, Causticum lunare, Cauterium lunare) zu bereiten, fülle man ein erhabenes, porzellainenes Geschirr, etwa eine Schokolatentasse halb voll mit diesem Silbersalpetersalze an, setze die Tasse in eine mit etwas Sand angefüllte eiserne Kapelle, auf ein gutes Kohlenbecken. (In einem irdenen Schmelztiegel zieht sich zu viel ein, mit Verlust.) Das Salz blähet sich auf, man rührt die Masse mit einer gläsernen Röhre um, und fährt fort umzurühren, bis die Entwickelung der rothen Dämpfe aufhört, und alles ruhig fließt. Dann wird sie sogleich und augenblicklich in die mit etwas Oel bestrichenen, zylinderförmigen Höhlungen der metallenen Form (Machina pro lapide infernali) ausgegossen, (statt deren man auch ein Stück Thon wählen kann, der noch nicht völlig erhärtet ist, und worin man die Höhlungen mit einem geölten dicken Drathe eingedrückt hat).

Es sind schwärzlichte Stangen, die man nach dem Erkalten herausnimmt. Von einer Unze des feinen Gehaltes des dazu angewendeten Silbers bekömmt man zwölf bis dreizehn Quentchen Höllenstein. Im Schmelzgefäße darf nur wenig, wenigstens nur wenig auf einmahl von dem Salze eingetragen werden, weil die Masse beim Aufblähen leicht überläuft. Ein hölzernes Werkzeug zum Umrühren zu nehmen, oder unter dem Schmelzen eine Kohle einfallen zu lassen, ist mit Lebensgefahr verbunden, der schnell erfolgenden Explosion wegen. Der angegebene Zeitpunkt zum Ausgießen darf nicht verfehlt werden, weil, wenn die Masse eher ausgegossen wird, als die rothen Dämpfe aufgehört haben, oder sie länger, als bis zu dem gedachten Zeitpunkte, im Flusse steht, in beiden Fällen ein unkräftigeres Präparat entsteht. Ersterer ist braunschwarz, lezterer hellgrau, sehr fest, und zeigt kein spießichtes Gewebe im Bruche.

Der grüne, leicht an der Luft feuchtende, enthält Kupfer und ist untauglich.

Der gut bereitete Silberätzstein ist von schwarzgrauer Farbe, leicht zu zerbrechen und im Bruche von strahlenförmigem Gewebe, dessen Striefen gegen den Mittelpunkt zusammen laufen; er ist gänzlich in Wasser auflöslich. Er muß vor der Einwirkung der Luft in verstopften Gläsern aufgehoben werden, jedes Stängelchen in Papier gewickelt, an dunkeln[217] Orten, oder doch in schwarz angestrichenen Flaschen.

Der Silberätzstein ist ein sehr schätzbares topisches Mittel, die schwammigen Auswüchse in schlaffen alten Geschwüren zu tilgen, wenn man sie damit bedupft. Harte Auswüchse müssen vor dem Bedupfen befeuchtet werden. Er hat den Vorzug, daß er sich nicht sonderlich über die Stelle hinaus verbreitet, worauf man ihn anbringt, daß er weniger Schmerzen macht als die andern Aetzmittel, und zugleich fäulnißwidrig und stärkend wirkt. Auch zur Oefnung einiger Abscesse bedient man sich desselben, oft statt des bessern Messers. Er wirkt mittelst einer Art von Verbrennung.

Die Anwendung der Auflösung desselben in 80 Theilen Wasser als eines reinigenden Mittels in Fisteln ist zwar schätzbar, kömmt aber mit der Auflösung des Silbersalpetersalzes überein.

Um den, auch zum innern Gebrauche bestimmten Silbersalpeter (Silberkrystallen), Crystalli lunae, s. lunares, s. Argenti, Argentum nitratum, Nitras argenti, Nitrum lunare, und unrichtig Vitriolum Argenti genannt, zu bereiten, bedarf man keines aufs höchste fein gemachten Silbers. Man nimmt den ersten Anschuß von der obangeführten abgedampften Auflösung vierzehn oder dreizehnlöthigen Silbers in Salpetersäure, dem man, wie oben angeführt, durch Pressen zwischen Fließpapier soviel möglich das anhängende zerfließende Kupfersalpetersalz entzogen hat, löset ihn nochmahls in so wenig als möglich kochendem destillirtem Wasser auf und stellt die Auflösung in die Kälte einige Tage lang hin, läßt die in schneeweißen Parallelogrammen angeschossenen Krystallen wohl abtröpfeln, trocknet sie ebenfalls durch Pressen zwischen Fließpapier, und verwahret sie in wohlverstopften Gläsern an Orten, wo kein Tageslicht hinzukommen kann, welches die Silbersalze zersetzt, und das Silber reduzirt. Dieses Salz ist so frei von Kupfer als das aus dem feinsten Silber bereitete. Es löset sich bei mittlerer Temperatur in gleichen Theilen Wasser auf, und in etwa drei Theilen siedendem Weingeist.

Sein ätzend adstringirender Geschmack, und die Aehnlichkeit mit dem Höllenstein zeigt, wie verwegen einige Männer (R. Boyle, Ang. Sala und Boerhave) handelten, da sie den Silbersalpeter in Substanz mit etwas Salpeter gemischt (Hydragogum Boylei, s. argenteum, Catharticum lunare, Luna purgativa, Crystalli hydragogae) zu einigen Granen bei Wassersucht, Fallsucht, Lähmungen u.s.w. innerlich zu geben wagten; ein nie zu rechtfertigendes Verfahren. Demungeachtet ist dieses Metallsalz eins der fäulnißwidrigsten Mittel. Schon 1/1000000 desselben in Flußwasser aufgelößt und vor dem Tageslichte verwahrt schützt dasselbe vor Fäulniß, und scheint ihm scharbockwidrige Kräfte mitzutheilen. Dem Sonnenlichte ausgesetzt und mit etwas Kochsalz vermischt, verliert es allen Silbergehalt, und man kann es wie reines Wasser trinken. Verstärkt man die Menge, und löset z.B. in 500 Theilen[218] destillirtem Wasser einen Theil Silbersalpeter auf, so erhält man eine Flüssigkeit, die das Fleisch vor Fäulniß schützt, und damit benetzte faule Geschwüre an äussern Theilen und im Halse allmählich zu frischen Wunden macht; auch könnte man diese Auflösung, nach Sims Anleitung, zu ein Paar Tropfen gegen Fallsucht versuchen. Zuweilen ist es jedoch zum äussern Gebrauche nöthig, nur einen halben Gran – auch wohl im Gegentheile mehr als einen Gran (2, 3, 4 bis 5 Gran nach den Umständen) in einer Unze destillirtem Wasser aufgelößt äusserlich anzuwenden. In leztern Proportionen fängt es aber schon an, beizend zu wirken. In einer starken Auflösung vierzehn Tage lang gebeiztes Fleisch wird schon in ziemlich dicken Stücken zur Mumie, das ist, an der Luft getrocknet, schwärzlich, hart und unverweslich. Eine etwas starke Auflösung in Wasser (etwa wie 1 zu 50) bildet die Aqua graeca, die damit gewaschenen Haare schwarz zu färben.

Da das Silber aus der Salpetersäure durch Vitriolsäure zu einem Salze (Silbervitriol) gefället wird, welches bei mittlerer Temperatur in 100 Theilen Wasser auflösbar bleibt, so darf man nur dieses, oder, welches einerley ist, einen Theil Silbersalpeter in 100 Theilen destillirtem Wasser auflösen, um eine Flüssigkeit zu erhalten, die selbst in 200000 Granen Wasser Einen Gran Kochsalz durch Weißtrübung entdeckt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 215-219.
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