Spiklavendel

[261] Spiklavendel, Lavandula Spica, L. [Zorn, pl. med. tab. 53] mit lanzetförmig gleichbreiten, stiellosen, am Rande zurückgerollten Blättern, und nackter, unterbrochener Aehre, ein im südlichen Europa und der Schweitz einheimisches, Fuß hohes perennirendes Sträuchelchen, noch mehr aber die Art (welche man unwahrscheinlich für eine blose Spielart hält) welche einjährig ist, breitere Blätter, eine größere, mehr lockere Blumenähre hat, überhaupt größer ist, später blüht, und einen feinen Geruch hat; (Lavandula latifolia); sie liebt trocknen, kießsandigen Boden.

Vorzüglich der letztern stark und angenehm riechende, und hitzig bitterlich schmeckende, den Speichel anlockende Blüthen, oder vielmehr blühende Krautspitzen (Flor. Summit. Lavandulae, Spicae) sind arzneilich. Man hat sie als ein Nerven ermunterndes, erquickendes, zertheilendes und stärkendes Mittel gebraucht, selten innerlich, öfterer äusserlich als trockner oder feuchter Umschlag. Häufigern Gebrauchs ist jedoch das aus den Blüthenspitzen dieses letztern Krautes in Languedok auf den Hügeln, vorzüglich auf dem Berge Sainte Baume im Freien von den Hirten destillirte Spiköl (Huile d'Aspic, Oleum Spicae), welches in ledernen Schläuchen nach den nächsten Städten gebracht und von hier aus in 60 bis 80[261] Pfund haltenden, dünnen, kupfernen, länglicht viereckigen Flaschen mit abgerundeten Ecken (Estagnons) das Pfund zu 12 bis 15 Sons verführt wird. Es ist eins der flüchtigsten und leichtesten Oele (von 893 spezifischem Gewichte) obgleich, seiner rohen Bereitung wegen, nicht vom lieblichsten Geruche, und von etwas gilblicher Farbe. Angezündet brennt es fast unauslöschlich fort, und riecht in der Hand gerieben, bis zur Verschwindung der lezten Spur von Geruche, noch lavendelartig. Das aus der zweiten und dritten Hand erhaltene ist fast immer mit Terbenthinöl verfälscht, und dieser Geruch kömmt dann bald zum Vorscheine, wenn beim Reiben in der Hand der Spikegeruch vorher verflogen ist. Das verfälschte ist für Firnisbereiter, zur Auflösung des Bernsteins, und zur Verdünnung der mineralischen Farben für Email und Porzelainmahler unentbehrlich. Man reibt es in gelähmte, kontrakte und zitternde Glieder, und beim chronischen Rheumatism ein, giebt auch wohl einen und den andern Tropfen auf Zucker in den Mund bei gelähmter Zunge und im Stottern; doch bedient man sich zu dem seltnern innern Gebrauche auch des bei uns aus den Blüthenspitzen des schmalblätterichten Lavendels destillirten Lavendelöls (Ol. Lavendulae) wovon man 1/250 bis 1/60 der dazu genommenen Blüthen erhält.

Zum Besprengen bei Ohnmachten, und zum Wohlgeruche bedient man sich aber vorzüglich des Eau de Lavande, eines mit den Blüthenspitzen, vorzüglich des breitblätterigen Spiks (vermuthlich) im Dampfbade w.s. übergetriebenen Weingeistes, welches man aus Frankreich bringt, da es unsre Apotheker nicht von der Feinheit und so ganz ohne Nebengeruch zu bereiten pflegen. Auch dieses Lavendelspiritus bedient man sich zur Einreibung in gelähmte Glieder, und auf die Zunge gegeben bei Lähmungen des Sprachorgans, und, so wie des Spiköls, und der Spike selbst, zur Vertreibung und Tödung einiger Insekten, der Ameisen, des Kopfungeziefers, der Motten, u.s.w.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 261-262.
Lizenz: