Tollstechapfel

[326] Tollstechapfel, Datura Stramonium, L. [Zorn, pl. med. tab. 286] mit aufrechten, eiförmigen, dornigen Fruchtkapseln und eirunden, glatten Blättern: ein zwei Fuß hohes Sommergewächs, wie man sagt, amerikanischer Abkunft, bei uns auf sandigen Miststäten, und Schutthaufen einheimisch, welches im August große weiße Blumen trägt.

Die großen, am Rande ausgeschweift gezahnten, weichen, vorzüglich beim Zerdrücken widrig stinkenden, und ekelhaft schmeckenden Blätter (Hb. Stramonii) erregen schon durch den Geruch eine Trunkenheit, wie vom Tabakrauchen bei Ungewohnten, und Kopfschmerz, beim innern Gebrauche größerer Gaben aber sehr heftige Zufälle, die mit großer Erkaltung des Körpers, Sinnlosigkeit, Stummheit, Unterdrückung aller Ausleerungen, aufgetriebenem Leibe, Lähmung, u.s.w. anfangen, dann in klonische Krämpfe, Hitze, schwatzenden Wahnsinn, auch wohl Wuth übergehen, und sich nicht selten mit dem Tode endigen. Man bedient sich desselben als eingedickten Saft, bei der gelindesten Wärme, oder, besser, an freier Luft abgedampft, zu den ungeheuern Gaben von einem bis fünf, auch wohl acht Gran, zwei und mehrmahl täglich, (wovon in den meisten Fällen, wenn es aufgelößt gegeben wird, nach meiner Erfahrung der hundertste, auch wohl tausendste Theil zureicht, wenn der Dic ksaft gut war) in noch nicht völlig bestimmtem Wahnsinn, und den Manien der Wöchnerinnen, und in ebenfalls noch nicht genau genug unterschiedenen Krämpfen. Hienach läßt sich sagen, daß seine Anwendung noch in der Kindheit liegt, und daß man vor dieser sehr kräftigen Pflanze dereinst große Hülfe zu erwarten habe. Der Dicksaft führt, wie der von mehreren auf Dungstäten wachsenden Pflanzen, vom Taback, Bilsen, Schwarznachtschatten, den Gänsefußarten, u.s.w. immer wahren, krystallinischen Salpeter bei sich.

Ich habe fast gegen keine narkotische Pflanze ein schnelleres und vollkommneres Antidot gefunden, als der Citronsaft, oder die denselben enthaltenden Beeren, z.B. Berberitz- oder Johannisbeeren gegen den Stechapfel sind.[326]

Die Alten brauchten das frisch zerquetschte Kraut äusserlich als ein schmerzstillendes und Erweichungsmittel, auch auf verbrannte Stellen gelegt.

Die nierenförmigen, äusserlich schwarzgrauen, sehr widrig schmeckenden und eben so heftig wirkenden Samen (Sem. Daturae) führte man ehedem in Apotheken, und bestrich mit dem in Essig bereiteten kalten Aufgusse die frieselartige Freßflechte und die sich allmählich verbreitende Rose, man weiß nicht, mit welchem sichern Erfolge?


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 326-327.
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