Tragantbocksdorn

[328] Tragantbocksdorn, Astragalus creticus, Tournef. [Tournef. Voy. I. tab. 64] mit lanzetförmigen, spitzigen, weißhaarigen Blättchen, welche kürzer als die Dornen sind und rauhen Blumenstielen; ein etwa zwei bis drei Fuß hoher Strauch auf dem Berge Ida in Candien mit kleinen weißen purpurstreifigen Blumen.

Aus dem Stamme und den dickern Aesten dringt vom Monat Junius an und die folgenden Paar Monate in wurmförmig und bandartig zusammengedreheter Gestalt und in unförmlichen Klümpchen von selbst ein schleimiger Saft, das Tragantgummi (Gummi Tragacanthae), welcher bald an der Luft verhärtet, und von den Hirten auf diesem Berge gesammelt und an die Kaufleute verhandelt wird, von wo aus wir es gewöhnlich über Livorno erhalten, in Stückchen von gedachter Gestalt, von milchweißer, etwas durchscheinender Farbe, ohne Geschmack und Geruch. In kaltes Wasser geweicht, schwillt es ungemein auf, läßt sich aber darin nie bis zur völligen Durchsichtigkeit auflösen, eine Auflösung, die nicht eher klar wird, als bis sich ein leichter, stärkemehlartiger Bodensatz daraus niedergesenkt hat, welcher sich jedoch in der Kochhitze zur opalartigen Durchsichtigkeit in dem übrigen Schleime auflößt, wie gewöhnliches Stärkemehl thun würde. Fast unter allen bekannten Gummiarten hat dieses die stärkste Schleimkraft. Vier Skrupel bilden in 32 Unzen Wasser aufgelößt, einen Schleim von Sirupskonsistenz, wozu vier Unzen arabisches Gummi nöthig seyn würde; die Schleimkraft des Tragantgummis ist daher vier und zwanzig Mahl stärker, als des arabischen. Indessen wollen doch Einige lezteres zur Mischbarmachung der Oele, der Balsame und des Quecksilbers mit Wasser vorziehen.

Man bedient sich desselben theils in den technischen Künsten z.B. bei Seidenmanufakturen, theils zu pharmazevtischen Absichten zur Bereitung der Trochisken, u.s.w.[328] wozu man ein Loth in zehn Unzen warmen Wasser mittelst mehrständiger Digestion auflösen läßt, theils aber auch wiewohl nicht häufig zu arzneilichem Behufe, und giebt es, am besten in Pulver oder zu Bissen gebildet, zur Abstümpfung verschiedner Reitze bei Husten, Heiserkeit, Reitz von Nieren- oder Gallsteinen, bei Harnstrenge, symptomatischen Durchfällen, verschluckten mechanisch reitzenden, und entzündeten Substanzen u.s.w. äusserlich als Schleim bei trockner Augenentzündung, oder als Pulver aufgestreut in nässende, empfindliche Geschwüre. Zur Verbindung der Pillenmasse ist der Tragantschleim nur dann rathsam, wenn die Pillen gleich verbraucht werden; sonst werden sie zu hart und allzu schwerauflöslich in den ersten Wegen.

Ob man gleich das weiße Tragantgummi als die beste Sorte (Tragacantha electa) vorzuziehen hat, so ist doch das graulichtweiße und gilbliche, sobald es die übrigen Zeichen der Güte hat, nicht zu verwerfen, weil alles weiße beim Aufbewahren von selbst gilblicht wird.

Nur das in dunkelfarbigen, mit Unreinigkeit vermischten Stücken (Gummi Tragacanthae in sortis) welches auch zuweilen Gummi de Bassora genannt wird, ist untauglich und in Apotheken unzulässig.

Ehedem glaubte man, das Traganthgummi rühre von dem im südlichen Europa, in Frankreich und Italien einheimischen Strauche, dem Astragalus Tragacantha, L. [Zorn, pl. med. tab. 487] her; jezt weiß man aber, daß dieser nie und an keinem Orte Gummi ausschwitzt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 328-329.
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