Vitriol

[359] Vitriol (Vitriolum) nennt man gewöhnlich ein vitriol- oder schwefelsaures, gemischt metallisches Salz (gemeinen, grünen, englischen Vitriol, Vitriolum vulgare, commune, anglicum, londinense), dessen Grundtheil wohl größtentheils Eisen, gewöhnlich aber noch mit etwas Kupfer, Thonerde, auch wohl noch mit Zink (Vitriolum goslaricum, goslarischer Vitriol) gemischt, ist, von undeutlich schrägwürflichter Krystallisation, und grünbräunlicher Farbe, welche sich um desto mehr ins Braune zieht, jemehr das Eisen darin oxydirt ist, oder mehr ins bläulichte spielt, wenn er einen ansehnlichen Theil Kupfer enthält. Von dieser Art ist der Salzburger; der fahlunsche enthält ausser Eisen- und Kupfervitriol, noch Zinkvitriol. Die Kieße oder Vitriolminern werden zur Bereitung des gemeinen Vitriols entweder geröstet, um den überflüssigen Schwefel davon zu gewinnen und die Zersetzung zu erleichtern, oder ungeröstet, wie die gewöhnlichen Atramentsteine und Vitriolerden, blos an der Luft ausgebreitet, die verwitterten (das ist mit dem Sauerstoffe der atmosphärischen Luft durch eine Art unmerklichen Verbrennens bereicherten) und mit einem weißen Salzanfluge überzogenen Haufen aber ausgelaugt. Dann wird die verstärkte Lauge, wenn fast reiner Eisenvitriol in der[359] Lauge seyn soll, am besten mit Zusatz metallischen Eisens bis zur gehörigen Konsistenz in bleiernen Pfannen eingesotten, der niederfallende Eisenocher beim Verkühlen abgesondert und so die Lauge rein in die tannenen, bedeckten Wachströge zum Anschießen hingestellt.

Ausser andern technischen Behufen (denn zu innerer Arznei wird der gemeine Vitriol nie gebraucht) bedient man sich dieses Vitriols zur Bereitung verschiedner Materialien und Arzneidroguen, wie ehedem bei der Verfertigung des Quecksilbersublimats, des Scheidewassers u.s.w. Die einfachste Benutzung aber besteht in Ausziehung seiner Säure durch die Destillation. Zu dieser Absicht wird der gemeine Vitriol in flachen Kesseln über freiem Feuer seines Krystallisationswassers möglichst beraubt, oder wie man es nennt, zur Röthe kalzinirt (Vitriolum calcinatum). Hiemit füllt man in eignen Fabriken irdene Retorten bis zu zwei Dritteln ihres innern Raums an, und zieht mit allmählig erhöhetem Feuer zuerst die schwache Säure (welche ehedem Vitriolgeist hieß) in die Vorlage über, die man dann mit einer neuen wechselt, um bei einem vielstündigen, aufs äusserste erhöten Feuer, die in weißen, dicken Nebeln übergehende, starke Vitriolsäure (Acidum vitrioli forte, s. concentratum) vollends überzutreiben, die man ihrer dickflüssigen Konsistenz wegen auch, obschon uneigentlich, Vitriolöl (oleum Vitrioli) und, um es von dem englischen Vitriolöle aus Schwefel zu unterscheiden, Nordhäuser Vitriolöl zu nennen pflegt, es mag nun in Nordhausen, im sächsischen Erzgebirge, oder in Schlesien fabricirt worden seyn. Man soll aus einem Zentner rothgebranntem Vitriole höchstens zehn Pfund solcher Säure erhalten. Dieses gemeine Vitriolöl hat immer eine etwas dunkle Farbe, etwa 1,800 eigenthümliches Gewicht, stößt bei Berührung der Luft weißgraue Dämpfe und einen erstickenden, schweflichten Geruch von sich, und gefriert in einer Kälte unter 40° Fahr. in spießförmige Krystalle, die sich bei einer größern Kälte zu einer festen Masse vereinigen, welche beim Wiederaufthauen obenauf schwimmt. Ganz anders verhält es sich mit dem wahren vitriolischen Eisöle (oleum vitrioli glaciale) welches man bei der Destillation des Vitriols, ganz zu Ende der Arbeit bei dem heftigsten Feuer in besondre Vorlagen überzutreiben pflegt, da sich dann der Dunst in feste Tropfen zu vereinigen pflegt, die man mit dem Spatel losstoßen kann. Dieses ist einem im Aufthauen begriffenen Schneeklumpen ähnlich, ohne unterscheidbare Krystallisation, von ganz weißer Farbe, dampft wenig oder gar nicht, bleibt bei einer Wärme von 80° Fahr. noch geronnen, liegt immer unter der wenigen, oben stehenden, durch Anziehung der Feuchtigkeit aus der Luft, gebildten flüssigen Vitriolsäure zu Boden und besitzt über 2,000 eigenthümliche Schwere.

Der Rückstand der Destillation (Caput mortuum vitrioli, Colcothar) ist ein lockerer, rothbrauner Metallkalk von äusserst schrumpfendem[360] Geschmacke, welcher noch einen ansehnlichen Theil konzentrirter Säure enthält, und zuweilen äusserlich als ein blutstillendes Mittel ist gebraucht worden. In ältern Zeiten langte man hieraus ein weißlichtes oder gilbliches Salz (Sal vitrioli, Sal colcotharis, Gilla vitrioli, Gilia Theophrasti) welches außer oxydirtem Eisenvitriole, auch wohl noch Alaun, Kupfer- und Zinkvitriol zu enthalten pflegt, und als ein (drastisch unsichres) Brechmittel angewendet ward. Der nach dieser Auslaugung oder Aussüßung rückständige Metallkalk ist das zu Farben gewöhnliche Englische Roth oder Braunroth (Terra vitrioli dulcis).


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 359-361.
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