Waldhähnchenwindblume

[376] Waldhähnchenwindblume, Anemone nemorosa, L. [Zorn, pl. med. tab. 317] mit einblüthigem Stengel, dessen Blume ohne Decke ist, eingeschnittenen Blättern, und gespitzten ungeschwänzten Samen; ein sechs bis acht Zoll hohes einjähriges (mehrjähriges?) Kraut auf hartem, steinigem Boden[376] auf Bergen in Hainen und Gebüschen, wo es im ersten Frühling große weiße, selten röthliche Blumen trägt.

Die dreitheiligen, gestielten, glatten, wenig haarigen Blätter (Hb. Ranunculi albi, Ranunculi nemorosi) haben so wie die Blumen und die Wurzel einen unmerklichen Geruch, aber einen scharfen, beizenden Geschmack. Trocken aufgelegt machen sie die Haut roth, frisch zerquetscht aber ziehen sie Blasen. Ihre Auflegung auf die Handwurzel so daß die gequetschte Pflanze eben beim beginnenden Froste zu wirken anfängt, hat zwar dreitägige Frühlingswechselfieber nicht selten vertrieben, die entzündete Stelle artet aber leicht in ein fressendes Geschwür oder in Brand aus. Eben so haben die Alten einen solchen Brei auf Grindköpfe gelegt, man sagt, mit Erfolg, aber gewiß nicht ohne die größte Gefahr, da zuweilen Asphyxien, Zuckungen der Augen und reißende Kopfschmerzen davon entstanden sind.

Das in Schweden gebräuchliche davon destillirte Wasser (aqua ranunculi albi) besitzt dieselbe Schärfe, als das von der Küchenschellwindblume, die in einem brennbaren, leicht krystallisirbaren, höchst scharfem Salze liegt. Man hat sich desselben äusserlich als eines Waschwassers gegen Ausschläge des Gesichts bedient, bei Uebermasse aber mit schädlichem Erfolge, da die Haut von einem etwas gesättigten Wasser leicht angefressen wird.

Vom Dicksafte will man Monatzeit treibende Kräfte wahrgenommen haben; sein Gebrauch erfordert aber die äußerste Vorsicht. Thieren erregt der Genuß der frischen Pflanze leicht Blutharnen und Dysenterie.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 376-377.
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