Weißbirke

[422] Weißbirke, Betula alba, L. [Zorn, pl. med. tab. 546] mit dreieckigen, spitzigen, zwiefach sägeartig gezahnten, glatten Blättern, und aufrechten, steifen Aesten, ein in Wäldern der kältern Länder einheimischer Baum, welcher zeitig im Frühlinge blüht.

Der vor Ausbruch der Blätter im Frühlinge aus der angeschnittenen Rinde der nicht allzustarken Aeste rinnende Saft (Succus Betulae), dessen Menge in einem Tage oft auf acht bis zehn Pfund beträgt, ist von süßlichtem etwas barschem Geschmacke, und geht fast augenblicklich in Gährung über, wenn die zu seiner Aufbewahrung bestimmten Gefäße nicht wohl ausgeschwefelt, d.i. mit der flüchtigen Säure des brennenden Schwefels durchzogen sind. Man läßt ihn frisch zur Frühlingskur trinken, als gelind abführendes, vorzüglich aber als starkes, zuweilen allzu heftiges harntreibendes Mittel, zu sechs Unzen mehrmahl des Tags. Er soll die Zufälle vom Blasensteine zum Schweigen bringen, und in Hautausschlägen und im Scharbocke Dienste leisten. Oft ist er aber nur empirisch, ohne bestimmte Gründe, angewendet worden. Sonst giebt er durch Gährung theils eine Art champagner ähnlichen, theils einen vollständigen Wein und der daraus abgezogne Geist ist sehr rein.

Die jungen, frischen Blätter (Folia Betulae) dienen als Hausmittel, roh damit den Körper im Bette zu überdecken, um bei gichtischen und rheumatischen Beschwerden Schweiß zu erregen, oder sie, in einer erhitzten Pfanne erweicht, auf Wassergeschwülste zu legen (wovon aber nicht selten die Brust beschweret wird) oder mit einem Absude derselben Hautausschläge zu bähen. Den Aufguß, oder den Dicksaft der frischen Blätter läßt man in Schweden gegen Gicht und Rothlauf brauchen, doch immer noch mit roher Hand, und ohne genaue Unterscheidung der Fälle. Aus dem Absude der Blätter mit Alaun wird die Mahlerfarbe, das sogenannte Schüttgelb niedergeschlagen, mittelst Potasche.

Den Absud der innern Rinde (Cort. interior betulae) hat man gegen Wechselfieber, vorzüglich wo Scharbock vorwaltete und bei äussern Geschwüren trinken lassen. Das daraus durch absteigende Destillation gewonnene bränzlichte, zum Theil ätherische Oel (Oleum betulinum, balsamum lithuanicum, oleum russicum, s. moscoviticum Dagget) ist nicht mehr gebräuchlich, ungeachtet es in ältern Zeiten nicht nur in die Ohren gegen Taubhörigkeit getröpfelt,[422] sondern auch äusserlich gegen Eingeweidewürmer aufgestrichen worden ist. Dieses äusserst hitzige Oel aber bei Hämorrhoiden aufzulegen, bei Blindheit (Hornhautflecken?) in die Augen zu streichen oder innerlich zu mehrern Tropfen beim Tripper einnehmen zu lassen, überläßt man billig den rohen Russen, ohne es je nachzuahmen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 422-423.
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