Weißlilie

[426] Weißlilie, Lilium candidum, L. [Zorn, pl. med. tab. 462] mit inwendig glatten Blumenkronen, und ohne Ordnung stehenden Blättern; ein etwa zwei bis drei Fuß hohes Kraut mit mehrjähriger Wurzel, welches im Oriente und der Schweitz einheimisch im July weiß blüht.

Die jasminartig, nur weit stärker und etwas unangenehmer riechenden, schneeweißen Blumen (Flori lilii albi) theilen frisch und unzerquetscht behutsam mit Weingeist, oder mit Wasser im Dampfbade, aber doch im Wasserbade destillirt, beiden Flüssigkeiten ihren duftenden Geruch mit, so wie den mit den frischen Blumenblättern infundirten ausgepreßten Oelen. Getrocknet verlieren sie allen Geruch und behalten blos das in ihnen häufig enthaltene schleimige Wesen. Die gerühmte (äusserlich) erweichende schmerzstillende und entzündungswidrige Kraft des aufgegossenen Lilienblumenöls (ol. liliorum alborum, infusum) ist wohl nur die des blosen Oels. Man hat den mit dem Geruche der Lilien geschwängerten Weingeist gegen die Fallsucht angewendet. Das destillirte Wasser hat man in Katarrhen innerlich, am meisten aber äusserlich als Schönheitsmittel (man weiß nicht, aus welchem Grunde?) gepriesen. Doch pflegt man etwas Weinsteinsalz hinzuzusetzen. Die stark duftenden Blumen verursachen leicht Kopfweh, und viele derselben im Zimmer eingeschlossen, haben schon den Tod zuwege gebracht, man behauptet, durch Umänderung der Stubenluft in azotische.

In ältern Zeiten legte man den mit gelbem Staube beladenen Staubbeuteln (Antherae, Crocus liliorum alborum) eine die Bärmutter stark reitzende Kraft bei, doch ohne genaue Erfahrungen hierüber beizubringen.

Am häufigsten hat man sich noch als Hausmittel der Wurzelzwiebeln (Rad. lilii albi) bedient, welche geruchlos, im frischen Zustande eines Hünereies groß, aus weißen, dicken, glatten, wie Dachziegel über einander liegenden Schuppen zusammengesetzt, im trocknen Zustand aber durchscheinend, hart, etwa zolldick und röthlich ist, und etwa den vierten Theil ihres Gewichtes eines unschmackhaften (Einige sagen, bitterlichen), zähen Schleimes enthält. Man hat sie frisch unter der Asche gebraten und mit Nußöl zusammengekneten, oder auch zu Breie gekocht, äusserlich vielfältig in allen den Fällen aufgelegt, wo man erweichen und schmeidigen wollte, z.B. auf verbrannte Hautstellen, auf entzündete zur Eiterung zu bringende Geschwülste, entzündete Goldaderknoten, Hüneraugen, u.s.w. Innerlich hat man sich ihrer nur selten und fast immer nur als eines harntreibenden Mittels bedient. Jetzt wird bei dem großen Vorrathe andrer schleimigen Dinge fast nirgend mehr Gebrauch davon gemacht, wenigstens kein ärztlicher.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 426.
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