Weißmangold

[426] [426] Weißmangold, Beta Cicla, L. mit zu drei bis vier beisammen stehenden Blüthchen und ungezahnten Blumenblättchen; ein ursprünglich in Portugal am Tago einheimisches Sommergewächs mehrere Fuß hoch, welches im July und August blüht.

Man hat die breitribbigen, glatten Blätter (Fol. Betae, Betae albae, Ciclae) unter die erweichenden Kräuter gezählt, sie als ein Leib eröfnendes Gemüß verordnet (dessen reichlicher Genuß aber den Magen schwächt und beschwert), die frischen Blätter auf die von Kanthariden gezogenen Blasenstellen zur Kühlung gelegt und den ausgepreßten Saft als Niesemittel zur Schleimabführung aus der Nase gebraucht.

Die großen, innerlich weißlichten, mit rothen Ringen auf dem Durchschnitte gezeichneten Wurzeln vorzüglich der größten Spielart, der Dickrüben, Runkelrüben oder Rummel, d.i. der sogenannten Beta altissima. [Körner, Oekonom. Gewächse tab. 235] sind von sehr süßem Geschmacke. Ungeachtet sie bisher blos als eine der dienlichsten Viehfütterungen dienten, so wahr doch schon Margraf der Zuckerbereitung daraus sehr nahe bis Achard in den leztern Jahren die Verfertigung des Runkelrübenzuckers (Saccharum Betae) mehr aufs Reine brachte. Indeß wird die Verfertigung des Zuckers aus dem ausgepreßten Safte, der nicht so wie der eingedeckte Zuckerrohrsaft bei der Verkühlung gleich zu Mehlzucker gerinnt, sondern mit einer großen Menge zähen auszugartigen Stoffes überladen ist, immer mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, und nie die ungeheuern Vortheile gewähren, die die erste Ankündigung davon versprach. Am besten noch gelangt man zum Zwecke, wenn man den aus der durch irgend ein Schneide- und Stampfwerk zu Brei zerkleinten frischen Wurzel ausgepreßten Saft gleich nach der Auspressung (weil er schnell in Zucker zerstörende Gährung übergeht) zuerst ins Kochen bringt (unter fleisiger Abnahme des Schaums während dem anfänglichen Sieden), dann aber ohne ferneres Kochen bei gemäsigtem, langsamem Feuer in sehr flachen kupfernen (oder eisernen?) blankgescheuerten Pfannen bis zur dünnen Sirupsdicke unter stetem Umrühren einsiedet, den dünnen Sirup in flachen steinzeugnen Näpfen in der Wärmstube (w.s.) bei einer Luftwärme von etwa 200° Fahr. allmählich vor sich verdunsten läßt, und, wenn eine herausgenommene Probe viel kleine Krystallen zwischen den Fingern zeigt, den ganzen Inhalt der Näpfe in hänfene Säcke füllt, die man in derselben Temperatur (von 200° Fahr.) in der Wärmstube auf etwas schiefgestellte Tische mit erhabenen Rändern legt, und sie mit einem Brete, dieses aber anfänglich mit kleinen, so wie aber der meiste Sirup durchgeronnen ist, mit größern Gewichten beschwert, da dann bei diesem gelindem, allmählichem Drucke und bei dieser hohen Wärme der Sirup sich ziemlich rein absondern läßt. Der in den Säcken enthaltene braune Mehl- oder[427] vielmehr Krystallenzucker wird dann auf Art des Zuckerrohrzuckers raffinirt durch Auflösen in Kalkwasser, Abschäumen mit Eiweiß, Gaarsieden in Kesseln mit Aufsätzen, Anschießen in thönernen Zuckerhutformen, Abzapfen des Sirups, und Reinigung durch aufgetragenen Thonbrei.

Der Sirup kann ferner abgedunstet werden, wenn er noch Ausbeute verspricht. Ihn aber so schlechthin statt ächten Zuckersirups zu Speisen anzuwenden, scheint bedenklich, da die Arzneikraft darin, welche in dem Kraute so heftiges, zuweilen allzu heftiges, bedenkliches Niesen erregt, durch die angewendete Hitze bei der Bereitung nicht so weit zerstört zu seyn scheint, daß sich davon für die Gesundheit nichts weiter befürchten ließe. Sicherer könnte er mit Wasser verdünnt und mit Hefen angestellt in Gährung gebracht und dann eine ansehnliche Menge Branntwein durch Destillation daraus gezogen werden.

Nächstdem ist es nicht unwahrscheinlich, daß die geschnittenen und behutsam getrockneten Wurzeln an der Oberfläche ihren Zucker ausblühen lassen werden, der sich dann leicht mit Wasser abwaschen, diese Auflösung aber sich zu Zucker versieden lassen wird, ohne von groben auszugartigen Stoffen gehindert zu werden.

Der aus Rünkelrüben gezogene und raffinirte Zucker ist mit dem aus Zuckerrohre an Eigenschaften übereinstimmend, wie es auch die Zuckerarten aus andern Gewächsen sind, wenn man sie in gehörigen Reinigkeit vergleicht.

Einige wollen die zweite Abart der Beta Cicla mit blaßgrünen Blättern, den Schweitzermangold oder der italienische (römische) Bete zur Zuckerbereitung vorziehen. Diese Wurzel ist zwar kleiner, aber weißer und süßer.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 426-428.
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