Wolf

[453] Wolf, Canis Lupus, L. [Schreber, Säugth. III, tab. 88] mit unterwarts zwischen die Füße gekrümmtem, langhaarigem Schwanze, langer, stumpfer Schnauze, und kurzen aufrechten Ohren; ein dem großen Schäferhunde nicht unähnliches, drittehalb Schuh langes graulichtgilblicht weißes Thier, welches mit ausnehmendem Geruche und Gehöre gehabt, auf seinen Raub vorzüglich bei Tagesanbruch ausgeht, gewöhnlich herdenweise, und sich der kleinen Thiere so wie der größten zur Nahrung bedient, den Menschen nur bei äusserstem Hunger bei strenger Winterkälte anfällt, aber, äusserst mistrauisch, sich selbst vor einem nachgeschleppten Stricke scheuet, nicht durch Thüren geht, sondern über die Verzäunungen springt, mit eingezogenen Krallen geht, zwölf Tage im Jahre brünstig ist, zehn Wochen trächtig geht, und fünf bis neun Junge wirft, die es mit Wuth vertheidigt. Er lebt funfzehn bis zwanzig Jahr, wird von der Fuchsflechte (Lichen vulpinus) und der Wurzel des Napellsturmhuts getödet – und ist jezt gänzlich aus Deutschland vertilgt.

Die Alten setzten ein lächerliches Zutrauen auf die Leber (Hepar Lupi), die sie getrocknet und im Pulver Fieberkranken (man denke!) zur Stärkung der Leber mit Wein quentschenweise eingaben.

So hielten sie auch viel auf den, vorzüglich rechten Wolfszahn (Dens lupi, dexter), den sie Kindern, in Silber gefaßt, anhiengen, theils damit daran kaueten, um den Durchbruch der Zähne zu befördern, theils sich vor Schreckniß und Fallsucht durch dieß Amulet zu verwahren. Jezt wissen wir, wie thöricht dieß alles war, geben ihn nicht mehr, wie sonst geschah, präparirt, bei Entzündungen ein, und schätzen den Wolfszahn blos zum Poliren als einen der härtesten Knochen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 453.
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