§. [182] 160.

Da sich jedoch die Gabe eines homöopathischen Heilmittels kaum je so klein bereiten läßt, daß sie nicht die ihr analoge, vor nicht langer Zeit entstandne, unverdorbne, natürliche Krankheit bessern, überstimmen, ja völlig heilen und vernichten könnte (§. 249. Anm.), so wird es begreiflich, warum eine nicht kleinstmögliche Gabe passend homöopathischer Arznei immer noch in der ersten Stunde nach der Einnahme eine merkbare, homöopathische Verschlimmerung dieser Art111 zuwege bringt.[182]


111

Diese, einer Verschlimmerung ähnliche Erhöhung der Arzneisymptome über die ihnen analogen Krankheitssymptome, haben auch andere Aerzte, wo ihnen der Zufall ein homöopathisches Mittel in die Hand spielte, beobachtet. Wenn der Krätz-Kranke nach Einnahme des Schwefels über vermehrten Ausschlag klagt, so tröstet ihn der Arzt, der hievon die Ursache nicht weiß, mit der Versicherung, daß die Krätze erst recht herauskommen müsse, ehe sie heilen könne; er weiß aber nicht, daß dieß Schwefel-Ausschlag ist, der nur den Schein vermehrter Krätze annimmt. »Den Gesichts-Ausschlag, den die violatricolor heilte, hatte sie beim Anfange ihres Gebrauchs verschlimmert,« wie Leroy (Heilk. für Mütter, S. 406) versichert; aber er weiß nicht, daß die scheinbare Verschlimmerung von der allzu großen Gabe des hier einigermaßen homöopathischen, Treisam-Veilchens herrührte. Lysons sagt (Med. Transact. Vol. II. London 1772.): »die Ulmenrinde heile diejenigen Hautausschläge am gewissesten, die sie beim Anfange ihres Gebrauchs vermehre.« Hätte er die Rinde nicht in der (wie in der allöopathischen Arzneikunst gewöhnlich ist) ungeheuern, sondern, wie es bei Symptomen-Aehnlichkeit der Arznei, das ist, bei ihrem homöopathischen Gebrauche seyn muß, in ganz kleinen Gaben gereicht, so hätte er geheilt ohne, oder fast ohne diese scheinbare Krankheits-Erhöhung (homöopathische Verschlimmerung) zu sehen.

Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 182-183.
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