Vorstellung

[75] Es ist Sache der Hausfrau und des Hausherrn, die Gäste untereinander bekannt zu machen. Der Jüngere wird dem Älteren, der Mann der Frau vorgestellt.

»Herr Mayer – Frau Schulze.« Auch der eigenen Frau stellt man den Fremden zuerst vor. Hat man einen sehr jungen Mann einer Respektsperson vorzustellen, so nennt man nur den Namen des jungen Mannes: »Liebe Großmama, darf ich dir Herrn Lehmann vorstellen?« Oder man nennt, wenn es sich auf der einen Seite um eine offizielle Persönlichkeit handelt, nur den andern Namen: »Herr Schmidt«. Bei Vorstellungen in gemütlicher Gesellschaft im eigenen Heim wird die gewandte Hausfrau nicht versäumen, den Kontakt herzustellen, indem sie mit einigen freundlichen Worten auf die Beschäftigung, Liebhaberei oder ein anderes gemeinsames Interesse verweist. Dadurch bringt sie ungezwungen die Unterhaltung in Fluß. Handelt es sich um Personen gleichen Alters und gleichen gesellschaftlichen Ranges, so stellt man nicht eine der andern vor, sondern fragt einfach: »Darf ich die Damen bekannt machen, Frau Schulze, Frau Schlosser.« Muß man sich selbst vorstellen, so genügt die Formel: »Mein Name ist Schmidt«. Damen gegenüber ist man weniger knapp: »Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich mich vorstelle, mein Name ist Schmidt.« Ebenso stellt man sich Respektspersonen vor. Bei solchen Gelegenheiten nennt die Dame ihren Namen nicht. Eine Ausnahme machen Frauen, die im öffentlichen Leben stehen, Ärztinnen zum Beispiel oder andere. Aber es ist ihnen nur freigestellt, ihren Namen zu nennen, eine Pflicht dazu besteht nicht.[75]

Unverheiratete nennen Vor- und Zunamen, Verheiratete sagen einfach: Frau Müller.

Akademische Titel bilden einen Bestandteil des Namens, sind also zu nennen: »Doktor Faust, Magister Wagner, Ingenieur Fuchs.« Bei Adelstiteln entfällt das Wort Herr oder Frau: »Baron Feuchtersleben, Graf Piccolomini.« Das gleiche gilt für die Anrede im gesellschaftlichen Verkehr: Auch eine Dame sagt: »Herr Doktor, Herr Geheimrat, Herr Hofrat«, aber »Graf, Baron«, nicht »Herr Graf, Herr Baron«. Auch adelige Damen spricht man mit »Gräfin, Baronin« an, nur wenn es sich um ältere Damen handelt, kann man, ohne unterwürfig zu scheinen, »Frau Baronin, Frau Gräfin« sagen. In diesem Falle ist die Anrede »Frau« nur der natürliche Ausdruck der Achtung der Jüngeren für die Älteren. Die Anrede einer verheirateten Frau ist nicht einheitlich. In manchen Gebieten sagt man »gnädige Frau«, in anderen spricht man die Frau mit dem Titel des Mannes an, wie etwa »Frau Doktor, Frau Ingenieur, Frau Geheimrat, Frau Medizinalrat«, wieder in anderen nur mit dem Namen. Solange sich eine einheitliche Auffassung nicht durchsetzt, tut man gut, sich der Ortsgewohnheit zu fügen. Es fehlt uns eben in der deutschen Sprache die Allerweltsanrede: Madame. Solange wir keinen Ersatz dafür haben, bleiben wir am besten beim Hergebrachten.

Höhere Parteimänner spricht man mit ihrem Amtstitel an: »Herr Minister«, das Wort »Exzellenz« wird nur mehr im Ausland gebraucht.[76]

Quelle:
Haluschka, Helene: Noch guter Ton? Graz 1938, S. 75-77.
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