Vorwort zu den Erinnerungen

[84] Die folgenden Aufsätze sind zum größten Theile aus den eigenen mündlichen Mittheilungen der Verstorbenen hervorgegangen, ein kleinerer ist den bereits früher erwähnten, von ihr hinterlassenen Erinnerungen aus ihrer Jugendzeit, sowie Briefen und Tagebüchern entnommen. Im ersten dieser Fälle ist die Aufzeichnung in der Regel fast unmittelbar nach der Mittheilung und möglichst genau mit den eigenen Worten der Erzählenden erfolgt. – Als sie nach Vernichtung des größten Theiles ihres Briefwechsels auf die Bedeutung des Verlustes aufmerksam gemacht worden war, wurde ihren näheren Freunden ihr Bestreben merkbar, auf dem Wege mündlicher Mittheilung das Verlorene einigermaßen zu ersetzen. Oft gab ihr eine einzige Frage den Anlaß zu längeren Erzählungen, und waren ihr Einzelnheiten einer interessanten Thatsache im Augenblicke nicht genau erinnerlich, so versprach sie darüber nachzusinnen, und ertheilte fast immer in möglichst kurzer Frist eine Auskunft. – Da ihre Mittheilungen, soweit sie sich auf Personen bezogen, fast nur bekannte ja berühmte Persönlichkeiten betrafen, so setzte sie eine allgemeine Kenntniß des Lebens, Charakters[85] und Wirkens derselben voraus. Ihre Absicht ging nur dahin, noch Unbekanntes oder nur oberflächlich Gekanntes, es betreffe nun Personen oder Zustände, zur Kunde zu bringen, oder Irrthümliches zu berichtigen, oder durch kleine Pinselstriche bereits gekannten Bildern einige neue bezeichnende Drucker zu verleihen, oder endlich die Art ihrer Beziehungen zu jenen interessanten Personen in's Licht zu stellen. Weder Biographieen noch ausgeführte Charakteristiken wird der geehrte Leser demnach in den folgenden Aufsätzen erwarten dürfen.

Der Wunsch, wenigstens ungefähr anzudeuten, über welche Personen oder Sachen in den einzelnen Aufsätzen etwas zu finden sei, ließ Ueberschriften über denselben angemessen erscheinen. Diese konnten jedoch, um nicht zu umfangreich zu werden, nur Hauptsächliches angeben. Der Leser wird daher in mehreren Aufsätzen Manches finden, wovon ihm die Ueberschrift nichts andeutet. – Wie dies in der mündlichen Mittheilung öfter geschieht, holte die Erzählende bisweilen weit aus, bis sie zu ihrem eigentlichen Gegenstande kam, und schweifte wiederum bisweilen von diesem ab. Eine spätere Sichtung oder Sonderung hätte hier dem Charakter der Unmittelbarkeit Eintrag gethan, welcher bei solchen Mittheilungen so ungern vermißt wird. –

Ausgemerzt ist wenig Anderes worden, als was die Diskretion bis jetzt noch mitzutheilen verbietet.

Quelle:
Herz, Henriette: Ihr Leben und ihre Erinnerungen.Berlin 1850, S. 84-86.
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