Vierunddreißigstes Kapitel

Dienstboten.

[118] Auch zum Umgang mit Dienstboten gehört Takt und guter Ton.

Man unterweise sie in ruhiger bestimmter Form. Zeigen sie sich durchaus unbrauchbar, so schicke man sie ohne Aufsehen fort.

Man soll seine Dienstboten weder herablassend, noch vertraulich, noch zu hochmütig behandeln.

Eine gleichmäßige Freundlichkeit ist am angemessensten.

Man vergibt sich durchaus nichts, wenn man mit treuen, anständigen Dienstboten auch ihre Privatinteressen durchspricht und ihnen mit Rat und Tat beisteht.

Sie werden in diesem Falle auch mit verdoppeltem Eifer unsere Interessen wahrnehmen.

Man soll Dienstboten nicht mit Arbeiten überbürden und immer bedenken, daß sie so gut Menschen sind wie wir.[118]

Es ist gegen den guten Ton, Dienstboten über ihre früheren Herrschaften auszufragen oder mit ihnen über die Nachbarn herzuziehen.

Auch die Dienstboten anderer über ihre Herrschaften auszufragen, ist taktlos.

Es verstößt durchaus gegen den guten Ton eines Hauses, wenn Kinder gegen Dienstboten naseweis oder befehlshaberisch auftreten.

Man lasse den Dienstboten die nötige Zeit, hin und wieder einmal die Kirche besuchen zu können.

Einen Dienstboten in Gegenwart eines Gastes oder einer fremden Person zu rügen, ist gegen den guten Ton.

Man weise die Dienstboten an, gegen jeden, der im Hause verkehrt, höflich zu sein.

Dienstboten eine Einmischung in die Unterhaltung zu gestatten, ist gegen den guten Ton.

Familienangelegenheiten in Gegenwart der Dienstboten zu verhandeln, ist unpassend.

Ebenso versuche man Zwistigkeiten untereinander in Gegenwart der Dienstboten zu vermeiden.

In einem anständigen Hause müssen auch die Dienstboten stets sauber und adrett gekleidet gehen.

Wie sie einen Gast zu melden haben, muß den Dienstboten angelernt werden.[119]

Man soll mit Dienstboten, besonders zu Beginn ihres Dienstantrittes, Geduld haben.

Manche Leute richten sich schwerer in neue ungewohnte Verhältnisse ein, sind aber nachher doppelt brauchbar. Hat man seinen Dienstboten gegenüber einmal eine Anordnung getroffen, so soll man diese nicht zurücknehmen, sondern konsequent darauf bestehen.

Auch Dienstboten gegenüber kann man einen Irrtum seinerseits eingestehen, man hüte sich aber, solche ihnen gegenüber allzu häufig eingestehen zu müssen, da man vor allen Dingen seinen Dienstboten Respekt einflößen soll, wenn man solchen von ihnen verlangt.

Lernt man von einem Dienstboten irgendeine häusliche Fertigkeit ab, so sehe man ihm dies so wenig wie möglich bemerkbar zu machen.

Man soll Dienstboten möglichst selbständig arbeiten lassen, damit sie gebotenenfalls auch einmal für die Herrschaft selbständig eintreten können.

Es ist ein ebenso großes Lob für eine Hausfrau, sich bewährte tüchtige Kräfte herangezogen zu haben, richtige Dispositionen zu treffen, wie unaufhörlich selbständig tätig zu sein und keinem andern etwas beizubringen, zuzutrauen und zu überlassen.[120]

Eine Hausfrau, die sich durch beständige Selbsttätigkeit und Abhetzerei meist in schlechter Stimmung befindet, ist weniger wertvoll wie diejenige, die bei ebenfalls geregelter Häuslichkeit durch Zutrauen an andere Kräfte auch gleichzeitig durch fröhliche Laune zum guten Ton des Hauses beiträgt.

Man soll seinen Dienstboten die notwendige Zeit zur Arbeit lassen und sie nicht überhetzen.

Man soll Dienstboten ihre bestimmten Ausgehtage nicht verkürzen, seiner eigenen Bequemlichkeit wegen.

Man bedenke, daß der Dienstbote, der die ganze Woche im Joch und in der Abhängigkeit lebt, solcher Erholungspausen vor allem bedarf, um wieder frischen Mut und neue Kraft zu erneuter Tätigkeit des Werktages schöpfen zu können, während die Herrschaft sich jederzeit freimachen kann.

Man soll Dienstboten gegenüber unter allen Umständen seine Ruhe behalten und sich nicht zu unpassender Heftigkeit hinreißen lassen. In dem Augenblick, wo wir gegen unsere Dienstboten überlaut und heftig werden, stellen wir uns mit ihnen auf eine Stufe.

Man soll Dienstboten nicht allzu hart schelten, wenn sie Geschirr zerbrechen. Da sie in ihrem Amt viel leichter hierzu Gelegenheit haben als[121] wir, kann es ihnen auch leichter passieren, derartigen Schaden anzurichten. Kommen jedoch Beschädigungen so häufig vor, daß man zu der Einsicht gelangen muß, der Dienstbote sei leichtsinnig oder besonders ungeschickt, so lasse man ihn einmal einen derartigen Schaden aus seinen Mitteln gutmachen, um ein Exempel zu statuieren.[122]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 118-123.
Lizenz:
Kategorien: