Dreiundvierzigstes Kapitel

Die Gastgeber.

[142] Es ist, wie gesagt, eine große Kunst der Hausfrau, die Tischordnung möglichst angemessen und zur Befriedigung aller Gäste zu treffen. Die Hausfrau kann, da diese Angelegenheit meist in ihren Händen liegt, dabei sehr viel Takt und Zartgefühl an den Tag legen, und hängt das Gelingen eines Festes wesentlich von diesem Umstande ab. Eine Hausfrau muß überhaupt einem Feste jenes Behagen verleihen, welches einzig und allein durch die den Gästen gebotenen materiellen Genüsse nicht hervorzuzaubern ist. Einer Hausfrau muß während den Stunden des Festes jeder ihrer Gäste gleich wert und lieb sein. Sie darf sich nicht einem Gast, der ihr besonders lieb ist, widmen, sondern sie muß sich mit allen beschäftigen, an jeden ein paar anmutige, verbindliche Worte zu richten wissen und der Allgemeinunterhaltung ein möglichst heiteres Gepräge zu geben verstehen.[142]

Auch muß die Hausfrau vorher die Dienerschaft über ihre Obliegenheiten, über die Reihenfolge der Schüsseln, bei welchem Gast sie anzufangen haben usw., genau unterrichtet haben, damit sie nicht etwa bei Tisch durch Anfragen in Verlegenheit gesetzt wird, und damit alles zur Zeit wohlgeordnet und systematisch ineinander greift. Das ist eine große Hauptsache. Nichts verursacht Gästen einen peinlicheren Eindruck als eine verängstete Hausfrau. Vor einem Feste müssen von einer Hausfrau die erforderlichen Anordnungen so getroffen sein, daß sie selbst vollständig Gast ist an ihrer Tafel.

Hausfrau und Hausherr dürfen die Speisen, die sie ihren Gästen vorsetzen lassen, nie selbst loben, ebensowenig wie sie sich über deren Mittelmäßigkeit, falls sie nicht sehr wohlgelungen, entschuldigen dürfen.

Man soll seine Gäste nie sehr dringend auffordern, von irgendeiner Schüssel besonders zu nehmen, sondern die Wahl der Speisen ihnen hauptsächlich selbst überlassen, da der Geschmack des einen nicht immer auch gleichzeitig der des andern ist.

Wähle die Gerichte, die du deinen Gästen vorsetzest, stets nach deinen eigenen Verhältnissen, nicht nach denen deiner Gäste, aber trotzdem so schmackhaft wie möglich, d.h. man soll, wenn[143] man einfachere Leute bei sich sieht, die in weniger guten Verhältnissen leben, diese nicht etwa nach ihrer Gewohnheit aufnehmen, sondern ganz nach der seinigen, ebenso wie man Leute, die selbst ein sehr großes Haus führen und sehr übertriebene opulente Mahlzeiten geben, durchaus nicht etwa auch demgemäß aufnehmen muß, wenn es die Verhältnisse nicht gestatten. Eine Hausfrau hat, wenn sie vorher genau die Zahl ihrer Gäste kennt, Sorge dafür zu tragen, daß jedes Gericht in ausreichender Quantität vorhanden ist. Bei einem improvisierten Mahl natürlich ist die Hausfrau nicht verantwortlich für die aufgetragenen Quantitäten. In dem Falle müssen die Gäste Rücksicht nehmen.

Läßt man bereits beim ersten Gericht Sekt servieren, so muß man dies während der ganzen Mahlzeit tun.

Man soll bei einer Gastmahlzeit nie einer Unterhaltung, die einem der Gäste peinlich sein könnte, Vorschub leisten, ebenso, wie man, wie bereits angeführt, politische und religiöse Unterhaltungsthemata in einem geselligen Tafelkreise durchaus vermeiden soll.

Im allgemeinen haben die Wirte die Pflicht, für einen passenden Unterhaltungsstoff Sorge zu tragen.[144]

Frühstücks- und Abendgesellschaften sind weniger formell wie Diners.

Zuweilen nur kann ein Frühstück einen mehr formellen Charakter annehmen, wie z.B. bei Hochzeiten und Taufen.

Bei Diners und größeren Abendgesellschaften deckt man die Tafel zuweilen in Hufeisenform, das ist eine längere Mitteltafel, die ziemlich die ganze Breite des Zimmers einnimmt, aber noch immer so viel Raum freilassen muß, daß die Gäste bequem bedient werden können, und eine sich zu jeder Seite anschließende Tafel. An der Mitteltafel sitzen dann meist die besonders angesehenen Gäste.

Doch hat man jetzt auch bei Soupers viel die kleinen Tische à 4, 6, auch 10 Personen, was, wenn sich dann immer recht passende Elemente an solchem Tisch zusammenfinden, höchst gemütlich ist.

Solche Tische eignen sich auch besonders zum Kaffee, der in der Nacht vor dem Abschied der Gäste serviert wird.

Bevor man seine Gesellschaftseinladungen versendet, muß man genau berechnen, wieviel Platz man hat, da man seine Gäste weder zu dicht aufeinander noch zu weit voneinander entfernt setzen soll.

Man soll es auch vermeiden, dreizehn an einen Tisch zu setzen, denn wenn das mit dieser[145] Zahl verbundene Vorurteil auch nur ein höchst müßiger Aberglaube ist, so muß man doch Rücksicht auf solche Gäste nehmen, die solchem Aberglauben bis zur Furcht ergeben sind und denen durch ein solches Arrangement das Vergnügen eines Festes vollständig zerstört werden könnte.

Bei einem zeremoniellen Mittagbrot ist meist männliche Bedienung in schwarzem Leibrock, weißer Krawatte und weißen Handschuhen oder in der Livree des Hauses.

Weder der Hausherr noch die Hausfrau darf den Dienstboten bei einem Diner während der Tafel laut Unterweisungen geben. Das wäre ein vollkommener Mangel an Lebensart. Selbst eine Tölpelei der Bediensteten muß seitens der Herrschaft bei solcher Gelegenheit mit Stillschweigen übergangen werden.

Macht man bei jemandem, der zufällig einen Gast bei sich beherbergt, Besuch, um ihn zu Tisch oder zu irgendeiner Gelegenheit einzuladen, so muß man selbstverständlich den Gast mitauffordern. Man würde im Unterlassungsfalle nicht nur letzteren, sondern auch denjenigen beleidigen, den man zu sich bitten wollte.

Nur nach einem ganz intimen Diner darf es sich der Hausherr gestatten, mit den übrigen Herren im Speisesalon zu verbleiben, um dort zu[146] rauchen. Jedenfalls aber muß er zuvor seine Tischdame in den Gesellschaftssalon geleiten.

Nur der Hausherr oder die Hausfrau hat durch ein paar diesbezügliche Worte die Tafel aufzuheben. Bei einer offiziellen Gelegenheit, Hochzeit, Ehrenmahl, Abschiedsessen, Einsegnung, Taufe usw., hat man Toaste in möglichst einheitlicher Reihenfolge zu bringen. Es ist gut, wenn sich in solchem Falle die betreffenden Redner untereinander einigen, noch besser, wenn vorher jeder Toast bei einem diesbezüglichen Festordner gemeldet wird, da sonst den verschiedenen Hauptpersonen eines Festmahls leicht Doppeltoaste gewidmet werden könnten. Auch Trinklieder soll man möglichst vorher melden, damit die betreffenden Musikanten, die die Begleitung zu übernehmen haben, auf die bezügliche Melodie vorbereitet sind.[147]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 142-148.
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