Das Krankenzimmer.

[82] Das Krankenzimmer zu einem wohnlichen und gemüthlichen Raum zu machen, kann durch Sorgsamkeit viel geschehen.

Zuerst und vor Allem trachte man danach stets reine Luft zu haben, was durch Oeffnen der Fenster im Nebenzimmer, sollte der Kranke in dem Zimmer selbst zu sehr dem Luftzuge ausgesetzt sein, zu erreichen ist. Auch Aufwaschen des Bodens mit feuchten, nicht nassen Tüchern erfrischt die Atmosphäre, im Sommer[82] hängt man nasse weiße Tücher vor das Fenster, um das zu starke Sonnenlicht zu mildern und im Winter sollte man ein offenes Gefäß mit Wasser im Ofen verdampfen lassen, oder jedenfalls Schalen mit Wasser im Zimmer stehen haben.

Alles was starke Gerüche verursacht, das Einreiben mit übelriechenden Salben, das Einnehmen schlecht duftender Arzenei, ist sofort durch Räuchern mit Essig oder Eau de cologne zu vertreiben.

Speisen, von denen nicht mehr genossen wird, wolle man nicht im Krankenzimmer lassen. Ueberhaupt sorge man dafür, daß sich nicht auf den Tischen zu Vielerlei anhäufe, wozu leicht Veranlassung ist.

Die Kleidungsstücke, die der Patient nur stundenweise trägt, vielleicht aber auch in Wochen nicht, dürfen nicht die Stühle bedecken, sondern müssen fortgehängt werden.

Das Bett ist sehr sauber zu halten und ist dem Leidenden beim Verabreichen der Speisen stets eine Serviette zu geben, wodurch der Bettbezug sehr geschont wird.

Nicht allein das ganze Zimmer, sondern speciell die nächste Umgebung des Bettes ist unter sorgsame Aufsicht zu nehmen. Der Teppich sei stets gehörig abgestäubt, das Nachttischchen wohl geordnet, Gläser, Schalen nach jedem Gebrauch gespült zu halten.

Stark duftende Blumen darf man nicht in ein Krankenzimmer bringen, ein Sträußchen der ersten Frühlingsboten, wie Schneeglöckchen, Crokus, Primeln erfreuen das Auge und sind unschädlich, auch eine einzelne Rose, ein Bouquet Veilchen darf man immerhin riskiren.

Dem Kranken zur Hand befinde sich alles, dessen er zu seiner Erquickung, zu seiner Unterhaltung bedarf, damit er auch in den Stunden, in denen er sich allein befindet, ohne Hilfe Anderer sich einrichten kann. Auch eine Glocke sei ihm erreichbar, um Jemanden herbeirufen zu können.

Die Lampe ist so zu stellen, daß ihr Licht dem Patienten nicht gerade in die Augen fällt. Eine laut[83] tickende Uhr ist zu entfernen, wenn er dadurch gestört wird, wie man überhaupt jedes Geräusch im Zimmer selbst und in der Nähe desselben zu vermeiden sucht.

Hat man die Wahl des Krankenzimmers, so sei solches zur Winterszeit nach Süden, im Sommer nach Osten oder Norden zu nehmen. Hoch, luftig, mit einer Aussicht in's Freie, in belebter Gegend aber nicht straßenwärts gelegen, auch möglichst entfernt von dem Lärm des Hauses, mit leise sich schließenden Thüren. Das Quieken derselben muß überall, wo es sich findet, durch Bestreichen der Angeln mit ein paar Tröpfchen Oel abgestellt werden. Es macht jeden Kranken, auch den weniger schlimmen nervös, solches Geräusch zu vernehmen.

Trachte Jeder, der ein Krankenzimmer zu ordnen hat, danach, daß solches dem Besuchenden die Beruhigung giebt, daß der Bewohner desselben bei allen seinen Leiden, allen seinen Schmerzen, wohl aufgehoben ist.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 82-84.
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