323. An die Weisheit.

[424] (Briefe zur Beförderung der Humanität, von Herder. 3. Samml. S. 112.)


Die du, höchste Vernunft, weise die Schickung lenkst!

Wie zuweilen der Ernst deiner Verfügungen

Uns ergetzet, ergetzen

So die menschlichen Spiele Dich?


Mit freudiger Hand streuest du Güter aus.

Und wir raffen sie auf, wenn sie gefallen sind,

Wie die Jugend die Nüsse

Mit kurzweiligem Zanke rafft.


Wer jetzt Kronen erhascht, bricht sie; wer Zepter kriegt,

Sieht sie wieder entfuhrt, eh er sie tragen kann.

Welt! so schwankst du zerrissen

Von den Händen der Mächtigen.


Was das geizige Glück unter die Völker theilt,

Ist ein – Pünktchen. O laß, Weisheit, ich flehe Dir!

Mich, indeß sie so zanken,

Mit dir lachen und frölich seyn!

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 424-425.
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