O Gott, ich muß packen!

[38] Schicksalsschläge, die sich bei dem Tempo unserer heutigen Zeit häufen und mehren, die immer tragisch anfangen und meist gut enden. Ja, der zu packende Koffer ...


O Gott, ich muß packen!

Mein Verehrtester – Ihr Zimmer sieht wie eine geplünderte Gemüsehandlung oder wie ein den Räubern in die Hand gefallenes Warenhauslager aus. Sie haben niemanden, der Ihnen hilft? Das stimmt nicht – – – überlegen Sie einmal, denken Sie fest nach ... Ihre Tante ist Ihnen unsympathisch, nun, das kann ich verstehen, Ihre Mutter soll nicht die Gelegenheit bekommen, in alle Schubfächer und Laden zu blicken (wenn schon!) – Ihre Schwester hat keine freie Minute für Sie, Ihre, verzeihen Sie – Braut – würde nie in der Morgenstunde ... hm – Ihre Aushilfe kann nicht Frack vom Smoking unterscheiden, und das Mädchen Ihrer Eltern hat große Wäsche.

Sollten Sie es nicht doch vielleicht einmal allein versuchen? Wir machen einen Feldzugsplan – passen Sie auf, den Griffel zur Hand, wir stellen jetzt die Stärke des bösen Feindes fest: »Wie lange bleiben Sie? – acht Tage? – Kinderleichte Packerei!« Greifen Sie in Ihren wohlassortierten Schrank, nehmen Sie einen dunklen Sakko und eine graue Hofe sowie den Smoking heraus. Lackschuhe und schwarze Straßenschuhe. Das legen Sie alles aufs Bett. Was gehört dazu? Da haben wir's schon:

Zwei steife Hemden, vier Kragen mit Klappecken, weiße Pikeeweste,[38] schwarze Binder – weiter acht halbweiche Umlegkragen, ungestärkte, gemusterte Oberhemden (Waschseide oder Trikoline), drei passende Krawatten – Strümpfe fehlen noch. Da sind schon: zwei Paar schwarze, vier Paar Tagesstrümpfe. Sind wir fertig? Beinah – Taschentücher – raten Sie – nein, ein Dutzend nehmen wir bestimmt mit. Worin Sie schlafen sollen? – hier in den zwei Pyjamas, ich habe sie längst in der Hand. Denken wir weiter nach ... wie schön dabei alles schon parat liegt – Schlafschuhe – herrlich, Schwammbeutel, gewiß, Kamm, Bürste, »beauty-parlour« – – jetzt sind wir komplett! Sie wollen noch den Abendschal? – bitte, ganz nach Wunsch.

Es geht los: Erst Papier ausbreiten – zu unterst die Schuhe – lassen Sie sich von der edlen Tante mal dazu ein Säckchen nähen, sie tut es mit Leidenschaft. Dann die Anzüge. Es folgen: Hemden, Krawatten, Kragen, Pyjamas, Unter ..... – ja, ich bin wirklich vergeßlich – schnell drei aus der dritten Schublade, endlich den anderen Krimskrams. Wissen Sie, wie lange die Prozedur gedauert hat? Staunen Sie, ganze fünfzehn Minuten! Und hier habe ich noch etwas in der Hand, wenn Sie das vergessen hätten – nicht auszudenken!!! Das Lederkästchen mit Manschetten-, Hemden- und Kragenknöpfchen. Für Mappe und Bücher ist immer noch obenauf Platz. So – jetzt schließen Sie ab?! Was überlegen Sie denn noch? – ach so, was Sie machen sollen, wenn Sie drei Wochen verreisen? Kolossal einfach, da nehmen Sie dreifache Portionen, außerdem Sportkleidung oder Wintersportzeug, das Ganze in einen Schrank- oder zwei größere Koffer.

Einen guten Rat: Flakons und Flüssigkeiten tunlichst in kleines Handtäschchen, zumindest in dichte Gummihülle. In den fertigen Koffer eine knappe Liste mit Inhaltsverzeichnis des wichtigsten Eingepackten!

Bravo, Sie lachen vergnügt! Sie haben den Alp des Kofferpackens überwunden und pfeifen nunmehr, wenigstens bei dieser Angelegenheit, aus Herzenslust auf Tanten, Mütter, Schwestern, Aushilfen, Mädchen und – Bräute![39]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 38-40.
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