Und die Liebe geht doch durch den Magen!

[64] Wie nah verwandt und voneinander abhängig das Geistige und das Leibliche sind, wie tief sich unsere alltäglichen tierischen Gelüste in dem psychischen Teil unseres Erdendaseins eingenistet haben, erkennt man nicht zuletzt an dem zur flüchtig hingesprochenen Sentenz gewordenen: »Getrennt von Tisch und Bett!« Tisch und Bett, die zwei Pole unserer Lebensachse.


Und die Liebe geht doch durch den Magen!

Bleiben wir im Schlaraffenland und versuchen wir festzustellen, inwieweit die alte Weisheit vom »Tischlein, deck' dich« noch innere Berechtigung hat und ihren Zauber ausübt.

Wir haben nun einmal zu kochen, zu essen und zu trinken, genau so, wie wir schlafen, uns an- und ausziehen müssen, und es Leute geben soll, die aus Verzweiflung über die vorgeschriebene Monotonie des Daseins schon zu Selbstmordversuch neigten. Aber mit ein wenig Anmut und Geschmack, ein klein wenig Nachdenken und Überlegung, ein bißchen Geschicklichkeit und Lebensfreude läßt sich »das tägliche Brot« in eine begehrenswerte Delikatesse verwandeln, die zu jeder Stunde an Reiz und Verlockung gewinnt. Nicht nur das, was man ißt – nein, wie man es serviert bekommt, nach welchen Vorbereitungen, unter welchen Bedingungen und in welcher Form, entscheidet.

Auf zur Kritik der leiblichen Genüsse, der Gaumen steht Vorposten, General Magen übernimmt das Kommando, die angegliederten Truppen sind in Alarmbereitschaft, Hilfskompagnien im Anzug, die große Parade kann beginnen – präsentiert – die Zungen![64]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 64-65.
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