Vom »[93] Grand lever« –

»Die Zeiten kehren nicht wieder«: Zarte Zofen am seidenen Bettrand, Tablette mit Post, Blumensträuße, wartende Modistinnen, Friseure und Verehrer. Mit einem hurtigen Satz wirst die junge Dame kaum sichtbare Dessous über schmale Hüften, wartet keine Hilfe, kein Zurechtlegen und Ankleiden ab, klopft höchstens der Masseuse freundschaftlich auf die Schulter, liest dabei eingegangene Briefmassen und Zeitungen, beantwortet dieselben sofort telephonisch, badet in eiligem Genuß und hat »eigentlich zu nichts mehr Zeit«.

Zeitungsblätter flattern auf den Schreibtisch, Kochrezepte und Einladungen liegen dazwischen, alles wird begutachtet, kritisiert und erwogen. Wenn es keine Klingeln gäbe – nicht zum Ausdenken! Organisation an allen Ecken und Enden. Keine doppelten Befehle – die Tageseinteilung liegt vor, jede Stunde bestimmt: Golf- oder Tennisplatz, Schwimmen oder Coiffeur, Anprobieren oder Shopping – Frühstück, Bridgenachmittag, musikalischer »Five o'clock« oder Tanztee im Hotel – kurzer Imbiß vor dem Theater, Kleider liegen bereit – ob nach der Vorstellung Essen, wird noch angesagt, kurzum – man weiß Bescheid!

So macht es Spaß und so klappt es wie am Schnürchen, und selbst, wenn man alles in einer Person – wenn man als Junggesellin auf sich selbst angewiesen ist – um so besser!

Das »grand lever« hat sich überholt – die Vielseitigkeit der Frau, ihr Temperament haben es für geeignetere Stunden umgelegt – verschiedene Modulationen geschaffen – sozusagen: den Morgen auf den Kopf gestellt. Aus dem »grand lever« ist ein »grand coucher« geworden![93]


Vom »Grand lever« -

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 93-94.
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