Vom Vorstellen.

[21] Treffen Personen zusammen, die sich noch nicht kennen, so hat man die Pflicht, auch ohne darum gebeten zu sein, diese vorzustellen. So hat man z.B. bei Besuchen, in Vereinen, auf Gesellschaften und Festen oft den Wunsch, vorgestellt zu werden oder sich selbst vorzustellen. Hierbei sind gewisse Regeln zu beachten. Ein Herr wird stets einer Dame, eine jüngere Person einer älteren, eine im Rang niederstehende einer im Rang oder Stand höherstehenden Person vorgestellt; d.h. die Namen der zuerst angegebenen Personen werden auch zuerst genannt. – Laß Dir dies an einigen Beispielen erklären. Der Vorstellende tritt mit einem fremden Herrn an die Dame heran und spricht zu ihr: »Gestatten Sie, gnädiges Fräulein, daß ich Ihnen meinen Freund vorstelle.« Hierauf folgt unter entsprechender Handbewegung die Nennung der Namen. Oder: Gestatten sie Herr Professor, daß ich Ihnen meinen Bruder vorstelle, stud. med. Schulze – Herr Professor Dr. Müller. Die Vorgestellten verbeugen sich voreinander und wechseln gewöhnlich einige Höflichkeitsworte. Doch müssen Untergebene ihren Vorgesetzten, Herren Damen gegenüber warten, bis diese die ersten Worte sprechen.

Erwähnt sei noch, daß der Herr niemals der Dame zuerst die Hand reicht, sondern umgekehrt: desgleichen hat der Jüngere zu warten, bis ihm vom Älteren die Hand gereicht wird. Wird jemand einer sehr hochgestellten Persönlichkeit vorgestellt, so wird deren Name nicht genannt, weil man voraussetzen kann, daß sie allgemein bekannt ist. Einander gleichstehende Personen macht man miteinander bekannt, indem man etwa spricht: Gestatten die Herrschaften, daß ich sie miteinander bekannt mache. Hierauf folgt die Namennennung. Tritt ein Einzelner in eine bereits versammelte fremde Gesellschaft, so nennst Du erst seinen Namen, dann die Namen aller übrigen Personen der Reihe nach. Das schnelle Aufzählen so vieler Namen rasch hintereinander klingt oft lächerlich, aber es ist eine nicht zu umgehende Förmlichkeit.[21]

Will ein Herr mit einer ihm noch nicht bekannten Dame das erstemal tanzen, so lasse er sich ihr von Bekannten vorstellen oder stelle sich selbst vor. Die Dame ist in diesem Falle nicht verpflichtet, ihren Namen zu nennen.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 21-22.
Lizenz:
Kategorien: