Geistige Erziehung.

[38] Die geistige Erziehung erstreckt sich auf die Ausbildung der Sinne, der Sprachfertigkeit, des Gedächtnisses und des Verstandes. Schon im zarten Kindesalter beginnt die Entwicklung der Sinne. Es ist nur darauf zu achten, daß die Erregung der Sinne nicht zu heftig sei. Grelles Licht, laute Geräusche ziehen Schädigungen der Sinnesorgane nach sich.

Sehr bald entwickelt sich auch bei dem Kinde das Sprachvermögen. Nichts ist einfacher, als die Kinder an ein reines, klares Sprechen zu gewöhnen. Man halte strenge darauf, daß mit Kindern und in deren Gegenwart immer ein schönes, wort- und lautreines Deutsch gesprochen wird. Kann ein Kind einzelne Laute nicht deutlich sprechen, so lache man nicht, sondern spreche ihm die Laute recht deutlich vor. Beharrung führt zum Ziel.

Die Ausbildung des Gedächtnisses geschieht anfangs durch Wiederholung vorgesprochener Sätze, später durch Auswendiglernen von Erzählungen und Gedichten.

Verstandes- und Gemütsbildung kann man bei den Kindern überall üben, sei es durch die Unterhaltung im Hause oder auf der Straße. Der kindliche Geist verlangt nach Bereicherung. Wir dürfen nur nicht ermüden, durch unsere Antworten den Verstand zu klären und zu erweitern. Die Hauptaufgabe nach dieser Richtung fällt der Schule zu.

Das höchste Ziel der Erziehung soll die Bildung eines festen Willens, des Charakters sein.


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 38.
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