Gesellschaftsspiele.

[129] Diese bestehen in ihrem ersten Teile darin, daß Pfänder gegeben, im zweiten Teile in der Einlösung derselben.

Mögen die Pfänderspiele in ihrem ersten Teile so interessant sein, wie sie wollen, mögen sie einem geistreichen Menschen zum Auslassen von Gedankenblitzen Gelegenheit geben. Der zweite Teil langweilt ältere und gesetzte Leute gewaltig.

Wenn ein Kreis von ausschließlich jungen Leuten heiterer Natur beisammen, und man in einer Stimmung ist, nichts übel zu nehmen, nunwohl, dann kann man auch mit Pfändern spielen, aber in besserer Gesellschaft wird das Pfänderspiel nur selten gestattet werden.

Vorsicht inbezug auf derartige Spiele ist aber immer anzuempfehlen, da man niemals weiß, wen man damit, ohne es zu wollen, verletzen könnte. Beleidigend ist es, eine Person vorzugsweise zum Gegenstande seines Witzes, der Neckerei und des allgemeinen Gelächters zu machen.

Aber eine andere Unterhaltung gibt es, die für jede Gesellschaft paßt, mag sie zusammengesetzt sein, wie sie auch wolle, die immer geeignet ist, Lust und Leben in die Anwesenden hineinzubringen.

Es ist der alle anregende, erfrischende, aufmunternde Tanz.

Irgend jemand, der dazu fähig ist, oder ein Pianist, der zu diesem Zwecke engagiert wurde, setzt sich ans Klavier, nnd spielt einen schönen Straußschen Walzer. Im selben Augenblick scheint das »Wiener Blut« auch in den Adern der Mitglieder unserer Gesellschaft zu fließen, die »Geschichten aus dem Wiener Wald« tauchen in ihrer Erinnerung auf und wenn sie sich auch nicht »An der schönen blauen Donau« befinden, so denken sie dennoch: »Das Leben ist[129] doch schön« und »Boccaccio« tanzt mit »Goldschmieds Töchterlein«, bis die »Morgenblätter« fallen und »Zephyrlüfte« die Fluren durchsäuseln. Alles ist »Ein Herz, ein Sinn,« Terpsichore ist ihr Tribut gezollt. Den Vätern und Müttern, welche dem fröhlichen Treiben zusehen, entrollt sich ein Bild wie »Mär chen aus alter Zeit«. Die Tanzenden selbst aber befinden sich in jener rosigen Stimmung, in der sie die ganze Welt umarmen und alles »Du und Du« nennen möchten!

Gewöhnlich wird der Gastgeber wissen, ob in der Gesellschaft getanzt werden wird und darnach richtet sich die Zahl der Einladungen. Stets seien einige Herren mehr als Damen in der Gesellschaft.

Daß nicht alle Herren tanzen, weiß man vorher, daß aber von denen, auf die man sicher gerechnet, sich der eine oder andere zurückzieht, um vielleicht mit einer Zigarette, die Luft zu verschlechtern oder sich am Büfett zu erfrischen, und dann apathisch zuzusehen, wie die Tanzenden in wonniger Lust dahinschweben, darauf war man freilich nicht vorbereitet.

Jedenfalls hat man die Einladung nicht erhalten, um den Beobachter zu spielen, sondern man erwartet und verlangt, daß jeder, der sich in eine Gesellschaft begibt, die Verpflichtung, welche er damit übernimmt, nicht allein kennt, sondern auch dieser nach besten Kräften nachkommt, zur allgemeinen Unterhaltung beizutragen, da jeder gleichen Anspruch darauf hat.

Ebenso wie der Gastgeber für die Unterhaltung seiner Gäste besorgt sein muß, hat er auch für kulinarische Genüsse zu sorgen.

Immerhin nach der Art der Gesellschaft, sowie nach der jeweiligen Ansicht des Gastgebers, richtet es sich, ob ein kaltes Abendbrot gegeben, oder an der


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 129-130.
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