Verlobung.

[155] Verlobungen werden am besten im engsten Familienkreise gefeiert. Dieselben finden gewöhnlich im Hause der Braut statt. Es nehmen nur die Verwandten der beiderseitigen Familien daran teil. Von den Eltern, sowie von den Verhältnissen wird es alsdann abhängen, ob die Verlobung noch eine Zeitlang geheim gehalten oder bekannt gemacht wird. Die zur Verlobung nötigen Ringe liefert der Bräutigam, jedoch kann das Schenken der Ringe auch gegenseitig geschehen, wenn es so Brauch ist.[155]

Nach der öffentlichen Verlobung macht der Bräutigam seiner Braut ein Brautgeschenk, etwa einen Schmuck oder sonst gewünschten Gegenstand.

Nach der Verlobungsfeier erfolgt die Versendung gedruckter Verlobungskarten an die Verwandten und beiderseitigen Bekannten. Auch wird die Verlobung in den Tageszeitungen bekannt gemacht. An manchen Orten ist es üblich, Geldbeträge an milde Stiftungen zu überweisen. Hat man eine Verlobungsanzeige erhalten, dann schickt man ein Blumenarrangement ins Haus der Braut und macht einen Gratulationsbesuch. Es werden auch ein oder zwei näher bezeichnete Besuchstage im Hause der Braut angezeigt. Das Brautpaar macht dann bei den nächsten Verwandten und Bekannten Gegenbesuche, entweder zu Fuß oder per Wagen. Trifft man die zu Besuchenden nicht an, so hinterläßt man seine Karte.

Der Verlobte hat nun auch das Recht und die Pflicht seine Braut täglich, oder mindestens jeden zweiten Tag im Hause ihrer Eltern zu besuchen. Ein längeres Ausbleiben, wäre es nicht durch die triftigsten Gründe veranlaßt, würde als Vernachlässigung erscheinen und zu gerechten Klagen Veranlassung geben.

Ein Bräutigam sollte seine Braut – die erste Zeit wenigstens – nie besuchen, ohne ihr eine kleine Aufmerksamkeit zu erweisen. Ihre Lieblingsblume, ein Bukett, ein Theaterbillet usw. sind hier am Platze. Auch der Braut ist es gestattet, dem Bräutigam kleine Geschenke zu machen und eignen sich dazu besonders Arbeiten ihrer eignen Hand, da diese zeigen, daß sie auch während seiner Abwesenheit an ihn denkt.

Bei den Besuchen des Bräutigams gilt es als schicklich, daß das Brautpaar nicht alleine, sondern daß immer eine dritte Person zugegen ist, so auch bei Ausgängen, auf der Promenade, im Theater, im Konzert usw. Erst wenn der Hochzeitstag in nächster Nähe ist, wird in ihrem alleinigen[156] Beisammensein niemand mehr etwas Unpassendes finden. Die Zeit von der Verlobung bis zur Verheiratung bildet der


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 155-157.
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