Hospitieren.

[257] Es geschieht in der Weise, daß ein Herr zu einem pausierenden Paare herantritt und den Herrn durch Verbeugung um die Erlaubnis bittet, mit der Dame tanzen zu dürfen.

Kommt der Herr zum ersten Male und ist tatsächlich Mangel an Damen vorhanden und ist die betr. Dame selbst noch nicht[257] durch Extratouren allzusehr in Anspruch genommen worden, so darf man dem Herrn die Extratour nicht abschlagen. Deshalb hat der Herr des tanzenden Paares seine Dame durch einen fragenden Blick auf den betr. Herrn aufmerksam zu machen, und wird die Dame durch leichte Verbeugung ihre Einwilligung kund tun. Der Herr tanzt dann mit dieser Dame höchstens zweimal herum, führt sie sogleich ihrem Tänzer – der in der Reihe der tanzenden Paare geblieben – wieder zu, indem er durch Verbeugung evtl. auch mit Worten seinen Dank an beide abstattet.

Eine Dame, die soeben zu ihrem Herrn von der Extratour zurückgebracht ist, darf man nicht wählen, es ist die Dame dann berechtigt abzulehnen. Auch ist es erlaubt abzuschlagen, wenn ein Herr um eine Extratour bittet bei Paaren, die vorne an, also zum Weitertanzen bereit stehen, oder bei solchen, die soeben aufhören zu tanzen und sich den Paaren anschließen. Man wähle also bei Paaren, die in der Mitte der Reihe stehen und tanze auch von hieraus fort, da das aus der Reihe heraustanzen hierbei nicht allein erlaubt, sondern sogar notwendig wird.

Unstatthaft sind Extratouren, wenn noch Damen ohne Tänzer vorhanden sind, und eine Unart wäre es, seine eigene Dame stehen zu lassen, um mit der Dame eines neben uns befindlichen Paares eine Extratour zu tanzen.

Ein anderer Fall aber ist es, wenn aus Mangel an Herren eine oder einige Damen für einen Tanz keine Tänzer erhalten können. Dann ist es nicht allein erlaubt, sondern eine Artigkeit, wenn abwechselnd die Herren ihre Damen um Erlaubnis bitten, sich auf einige Minuten entfernen zu dürfen, um mit einer dieser Damen eine Extratour zu tanzen.

Unpassend ist es, wenn Damen, die keine Tänzer erhalten konnten, sich gleich darauf aus dem Bereich der tanzenden Paare entfernen, in dem Glauben, daß ihnen eine Zurücksetzung widerfahren sei.

Peinlich freilich wird es, wenn der Zufall will, daß es mehrere Tänze nacheinander ein und dieselbe Dame trifft, was auch sehr leicht vorkommen kann. Es ist also Sache der[258] Herren, um keinen Verstoß gegen die Artigkeit zu begehen, ein wachsames Auge zu haben, solches zu verhüten.

Ist es bei allen Tänzen üblich, daß die Herren sich Damen wählen, so findet das Gegenteil statt bei der sogenannten


Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 257-259.
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