Scheffner an den Kronprinzen.

[135] Durchlauchtigster Cronprintz


Allergnädigster Herr!


Ew. Königl. Hoheit freundlichen Gruß hat der Bischof Borowski mir gebracht, meine Empfindung über eines jungen lebhaften Königsohns freywilliges Erinnern an einen bedeutungslosen Greis vermag ich aber so wenig ausdrücken als den Dank für diese Gnade.

O wie gern hätt ich mein irdisches Sehen mit dem Anblick eines Prinzen beschlossen, der nach allgemeinem Zeugniß an Alter und Weisheit bey Gott und Menschen zugenommen hat, und der hoffen läßt, er werde einst im herrschenden Könige nicht den helldenkenden thatlustigen Cronprinzen untergehen lassen.

Wie gern hätt ich Ew. Königl. Hoheit mündlich unterthänigst gebeten, der leider noch nicht vollendeten Creutzerhöhung auf dem Galtgarbschen Berge bey Ihrem nächsten[135] Hierseyn eine Stunde zu widmen: Am liebsten aber hätt' ich Sie, Allergnädigster Herr, gefragt ob Sie Ihre Jugendneigung zum Quellsuchen noch beybehalten haben? Möchten Ew. Königl. Hoheit doch einst auf dem leicht dürr werdenden Thron dieses Spüren nach den Quellen menschlicher Worte und Werke nie unterlassen und Ihren künftigen Staats-Brunnen- und Spitz-Meistern streng befehlen, besonders sie auch durch eignes Nachsehen dazu nöthigen, kein von Ihrer eignen Scharfsichtigkeit entdecktes Lebenswasser wieder zu verschütten, oder es zu casselschen Wundercascaden zu gebrauchen so lang es zur Bespeisung weltlicher und geistlicher Canäle nothwendig ist. Erlaubt mir gleich mein hohes Alter nicht das Selbsterleben so guter Hoffnungen, und leisten auch die schönen Redensarten heiliger Bündnisse oder Bibelausschüttungen mir keine Bürgschaft dafür, so thut es mir doch sehr wohl, den Gedanken an das Vorhandenseyn eines wahren heiligen Bundes des hellgebideten heitern Verstandes und des in und zur Thätigkeit unermüdlichen festen Willens in einer Kronerbenseele mit ins Grab nehmen, und ihn lebend verbinden zu können mit der ehrerbietigsten Ergebenheit, die für Ew. Königl. Hoheit gewis empfindet

J. G. Scheffner.


Königsberg, den 23. Juli 1818.[136]

Quelle:
Scheffner, Johann George: Nachlieferungen zu meinem Leben. Nach bestem Wissen und Gewissen, stets mit kräftigem Wollen, oft mit schwachem Können, Leipzig 1884, S. 135-137.
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