Auf dem Markte und im Kaufhause.

[64] Wünscht die Hausfrau die Nahrungsmittel persönlich auf dem Markte oder in den Markthallen einzukaufen, so wähle sie dazu einen einfachen, widerstandsfähigen Anzug, starke Schuhe und feste Handschuhe. Abgetragenen Staatskleidern und ausrangierten Ballhandschuhen hier den Rest geben zu wollen, ist unverträglich mit guter Lebensart.

Viele glauben, eine gute Wirtin müsse sich notgedrungen selbst mit dem schweren Marktkorbe beladen; wir teilen diese Ansicht nicht, sondern empfehlen dringend, sich denselben tragen zu lassen. In Ermangelung eines Dienstboten erlangt man für eine entsprechende Vergütigung leicht eine passende Aushilfe.

Man verhandle ruhig und sachgemäß mit den Verkäuferinnen und verschwende die kostbare Zeit nicht mit langweiligem Feilschen um wenige Pfennige. Erscheint einem die Ware zu teuer, so sage man das mit kurzen Worten oder wende sich an eine andere Händlerin. Viel Ausstellungen an der feilgebotenen Ware zu machen, ist nicht besonders ratsam; denn die Zungenfertigkeit der Marktweiber ist unübertrefflich. Sich mit ihnen auf einen Streit einzulassen, wäre aber gänzlich gegen den guten Ton.

Bei Einkäufen in Läden ist es ratsam, größere gut renommierte Geschäfte aufzusuchen.

Man überlege genau, was zu kaufen ist und überschlage den anzulegenden Preis. Dadurch werden den Verkäufern viele Umstände und Zeit erspart, und der Käufer erscheint ihnen in ungleich günstigerem Lichte. Auch ist es keineswegs guter Ton, sich ganze Berge von Waren vorlegen zu lassen, um schließlich wenig oder gar nichts zu[64] kaufen. Darum teile man dem Ladenpersonal seine Wünsche deutlich und klar mit und lasse sich keinerlei Dinge vorlegen, die denselben zuwiderlaufen oder den Haushaltungsetat übersteigen.

Nach dem Preise der Ware muß man sich vor Abschluß des Kaufes erkundigen. Übersteigt derselbe unsere Erwartungen bedeutend, so ist es am einfachsten, dieses offen zu sagen und um entsprechende Sachen in billigerer Preislage zu bitten. Man darf auch wohl ein geringeres Angebot thun; denn leider haben nicht alle Geschäfte feste Preise. Aber stundenlang um einen Gegenstand zu feilschen, ist wahrhaft furchtbar und eine echte Geduldsprobe für die Verkäufer.

Ist die Art, in welcher man mit dem Geschäftspersonal verhandelt, rein sachlich, so wird man sich auch nicht über Anmaßung und unpassende Vertraulichkeit desselben zu beschweren haben.

Den Kaufleuten empfehlen wir große Zuvorkommenheit und ruhiges, unverändert höfliches Betragen gegen ihre Kunden. Der Beruf eines Verkäufers erfordert stählerne Nerven und viel Ausdauer, beides findet sich häufiger bei Männern, als bei Frauen deshalb ersteren in großen Geschäften auch immer der Vorzug gegeben wird. Das ist in mancher Hinsicht sehr zu bedauern; denn viele Zweige eignen sich weit mehr für Damen und wären ihnen eine sichere Erwerbsquelle. Empfehlen aber müssen wir weibliche Bedienung geradezu in solchen Geschäften, welche die intimeren Toilettengegenstände der Damen führen. Es ist wenig schicklich, wenn Mädchen und Frauen mit einem Kommis Dinge besprechen, die keineswegs für männliche Ohren bestimmt sind, und unbegreiflich bleibt es, daß sie es überhaupt thun. Sicherlich gewinnen es die zartfühlenderen auch nicht über sich und verlassen lieber den Laden unverrichteter Sache, ehe sie sich entschließen, mit Männern die Interieurs ihres Anzug es eingehend zu erörtern. Auch bei besonders zarten Dingen, wie Spitzen, Blumen, duftigen Seidenstoffen u. dgl. ziehen wir Damenhände vor.

Bildet der Einkauf ein größeres Paket, so wird der Verkäufer sich selbstredend erbieten, dasselbe nach der Wohnung des Käufers zu besorgen; lächerlich aber klingt die Anfrage: »Wohin darf ich es schicken, gnädige Frau?« wenn es sich um ein Paar Handschuhe handelt. Solch ein kleines Päckchen kann die feinste Dame ohne weiteres selbst tragen.

Der Kassierer mache es sich zur Regel, Damen niemals viel Nickel- oder Kupfergeld herauszugeben. Muß es einmal notgedrungen geschehen, so unterlasse er doch ja nicht, sich höflichst deshalb zu entschuldigen.

Daß den Kunden, bei Einkäufen von längerer Dauer, Stühle angeboten werden, ist selbstverständlich.[65]

Quelle:
Schramm, Hermine: Das richtige Benehmen. Berlin 201919, S. 64-66.
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