Prag, Collin, Regensburg.

[50] Wir reisten also fort und kamen in den letzten Tagen des Julius in Prag glücklich an. Gleich den Tag darauf reisten wir mit der Gesellschaft nach dem Lager, das bei Collin aufgeschlagen war, und spielten den Augustmonat fort. Kehrten wieder nach Prag, und Kurz sagte zu meinem Vater, er wünschte von Advent bis Fasten einen neuen Ort[50] zu haben, weil er sich in Prag ziemlich ausgeleiert hatte. Mein Vater riet ihm, nach Regensburg zu gehen; er müßte aber ja mit dem Fürsten einen Akkord zu treffen suchen, sonst wär's da nichts. Kurz reiste ab und wurde mit dem Fürsten der Bedingungen wegen einig, und so reisten wir alle dahin ab. Kurz hatte viel Glück in Regensburg, und sein Vorteil ging in die Tausende.

Mein Vater und Mutter waren froh, daß sie nun alle Woche ihre richtige Gage bekamen, die sie, seit sie aus Wien waren, nicht so ununterbrochen weg gesehen hatten. Locatelli, ein italienischer Entrepreneur, der in Prag welsche Oper hielt und zugleich deutsche Komödie haben mußte, schrieb an meinen Vater und trug ihm die Direktion übers deutsche Theater an, frug ihn zugleich, wieviel er Gage verlangte. Mein Vater forderte nicht mehr als die Gage, die er mit seiner Frau als Schauspieler gehabt, nämlich 12 fl., und fürs Direktorium sollte Locatelli mich und meinen Bruder von seinem Ballettmeister im Tanzen unterrichten lassen, weil Locatelli immer geschickte Männer hatte. Der Vorschlag wurde richtig, und wir reisten in der Fasten 1754 nach Prag, wo denn mein Vater die Direktion so gut führte, daß Locatelli keinen Schaden den ganzen Sommer über hatte. Der Augustmonat wurde wieder bei Collin im Lustlager zugebracht, wo auch Ihro Majestäten, die Kaiserin Maria Theresia sowohl, wie der Kaiser Franz von Wien hinkamen. Locatelli hatte zu dem Ende Oper Seria verschrieben, die in Prag spielten. Und nun, da im Winter die Einnahmen erst recht gut sein sollten, kosteten die Welschen so viel, daß weder sie selbst noch die Deutschen konnten erhalten werden. Locatelli, voll Schulden, entwich heimlich, ließ uns alle sitzen, und meine Eltern kamen wieder gegen 200 fl. zu kurz. Mein Halbbruder, der sich seitdem verheiratet hatte, war mit seiner Frau auch bei Locatelli engagiert. Sie reisten aber schon im Advent wieder weg, und ich habe keines mehr von beiden seit dieser Zeit gesehen.

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 50-51.
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