Skatabende

[109] zu werfen, obschon sie einen starren Gegensatz der Damenkaffees bilden. Denn während diese nicht dazu da sind, damit die Damen Kaffee trinken, sind die Skatabende nur zum Zweck des Skatspielens eingerichtet.

Ich liebe die Skatabende sehr. Denn da ich keinen Begriff von Skatspiel habe, bin ich von ihnen ausgeschlossen. Daß ich aus diesem Grunde als einer der unbeholfensten Menschen bekannt bin, weiß ich längst, dennoch liebe ich die Skatabende. Das ist eben eins der Geheimnisse der Liebe. Man liebt, trotzdem oder weil man zurückgewiesen wird.

Da ich also vom Skatspiel absolut nichts verstehe und deshalb in meiner Eigenschaft als Journalist ein Urteil über seinen Wert abgeben könnte, so unterlasse ich es dennoch zum Entsetzen meiner Kollegen. Ich weiß nur vom Hörensagen, daß der Skat ein höchst interessantes und faszinierendes Spiel und ein Skatabend daher einer der schönsten im Leben der Skatspieler ist. Schon aus diesem Grunde gehört er in den Kreis unserer Betrachtungen.

Der Skatabend steht bei den Frauen in hoher Gunst, weil der Gatte während dieser Zeit sicher zu Hause ist und scharf kontrolliert werden kann, was an anderen Abenden bekanntlich nicht immer gut möglich ist. Dagegen wird der Skatabend von den Dienstmädchen gehaßt, weil die Gäste meist so lange spielen, daß sie vom Hausherrn hinausgeleitet werden und dadurch das Trinkgeld sparen.

Will man sich sehr beliebt machen, so verliere man immer oder meist, einerlei, ob hoch oder niedrig gespielt[109] wird. Allerdings wird die Beliebtheit auf diese Weise ein Luxusartikel, bildet aber trotzdem eine schöne Eigenschaft.

Bleibt die Herrin des Skathauses trotz der späten Stunde wach, so ist dies nur in seltenen Fällen ein Beweis von hochgradiger Gastfreundschaft und Vergnügen an der Unterhaltung, sondern diese weibliche Dauerbarkeit entspringt gewöhnlich einer finanziellen Maßregel, indem die Dame vor Schluß des Abends ihrem Gatten das Gewonnene abnehmen will, bei welcher Gelegenheit sie dem Skat eine warme Lobrede halt und den Gatten für einen geliebten Meister erklärt. Verliert der Gatte, so findet die Dame des Hauses, daß das Skatspiel sehr unmoralisch sei und aufhören müsse, auch sei es greulich, daß einige Herren, die sie nicht leiden könne, teilweise aus der Tasche ihres Gatten und des Vaters ihrer armen Kinder leben.

Hat der Skatspieler keinen Witz, so hat er dennoch welchen, da er den vorhandenen und allgemein bekannten au geeigneten Stellen anbringt. Dies ist dem Hörer sehr willkommen, da er nicht zu lachen braucht, was auch meist absolut unmöglich ist. Ein gefürchteter Schädling des Skats ist derjenige Spieler, der nur witzig ist, wenn er gute Karten bekommen hat, und solche Schädlinge bekommen, wie behauptet wird, fortwährend gute Karten.

Wenn man Grund oder Lust hat, sich als überflüssig erscheinen zu lassen, so sei man zugleich Gast und Kiebitz. Einem solchen Herrn schreibt der abergläubische Spieler die Zauberkraft zu, daß er Buben in Damen verwandelt, was die wohlthätige Folge hat, daß ein solcher Centaur nicht wieder eingeladen wird.

Macht man sich nichts daraus, in den Augen einer Dame als Scheusal, Kaliban und Verbrecher zu[110] gelten, – es ist dies nicht jedermanns Geschmack –, so nehme man an einer Skatpartie teil, in der sich eine Dame befindet, und gewinne, oder man verliere nicht. Ist man dagegen eitel und etwas eigen, so verliere man regelmäßig, wenn eine Dame in der Partie ist. Dann gilt man als ein Adonis mit einem Schuß Apollo, auch wenn man das Gegenteil sein sollte.

Ist man ein junger Mann und liebt die Tochter des Hausherrn, so verliere man konsequent. Hier genügt es nicht, daß man bloß nicht gewinnt. Erst nach der Verlobung nehme man dem zukünftigen Schwiegervater das ganze Geld ab.

Spielt jemand schlecht und gewinnt man dadurch, so verzeihe man ihm sein schlechtes Spielen. Man sei aber nicht unerbittlich. Spielt aber jemand schlecht und verliert man dadurch, so zeige man, daß man Charakter habe, und lasse es an Schmähungen nicht fehlen.

Pflegt das warme Abendessen gut und reichlich zu sein, so lobe man des Gastgebers Spiel als meisterhaft, auch wenn es dilettantisch ist. Wenn aber betreffs des Abendessens nicht alle Blütenräume reisen, so sei man so milde wie irgend möglich. Das ist's ja, was den Menschen zieret.

Will man ganz sicher sein, wieder eingeladen zu werden, so habe man, wenn es zum Abrechnen kommt, ganz zufälligerweise kein Geld bei sich.

Es darf hier wohl kurz auf die


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 41906, Bd. I, S. 109-111.
Lizenz:
Kategorien: