des Zweirads.

[36] Man radle also nicht, wenn man es nicht kann.

Da das Radeln hauptsächlich gegen die Korpulenz empfohlen wir und von Nutzen ist, so radeln selbstverständlich nur schlanke Damen, welche es nicht nötig haben, während korpulente Damen, die es nötig haben, wenigsten nicht öffentlich radeln, weil sie auf dem Rade einen komischen Eindruck machen.

Hat eine Radlerin, welche mit Leidenschaft am Rade hängt, Aussicht, sich mit einem Mann zu verloben, der Radfeind ist, so finde sie plötzlich, daß das Radeln gesundheitsgefährlich sei und in den Verdacht des Kokettierens bringe, und gebe es bis nach der Verlobung auf. Vielleicht handelt es sich nur um vierzehn Tage.

Da, wohin man sehen mag, und da, wohin man nicht sehen mag, geradelt wird, so ist namentlich Damen zu empfehlen, sich auf kein Rad-Rendezvous, sondern sich nur auf ein Stelldichein zu Fuß einzulassen. Denn der Verräter schläft nicht, sondern radelt.

Männer, welche sich ein Weib erradeln wollen, thun gut, das Rad dieser Dame anzurennen und sofort abzuspringen, um ihr beizustehen. Da Radler,[36] welche einen Unfall herbeigeführt haben, gewöhnlich zu entzweiradeln suchen und auch meist glücklich davonradeln, so macht das Gegenteil auf die angeradelte Dame einen Eindruck, der bis zur Herzensneigung tief sein kann.

Hat man in der angegebenen Absicht so gehandelt und wird man von dem Fräulein »Sie sind ein Tölpel!« angeredet, so gebe man trotzdem die Hoffnung nicht auf. Das Standesamt ist unberechenbar.

Ist man unvorsichtig gewesen und hat das Fahrzeug durch einen Radmarder eingebüßt, so glaube man, daß man das Diebstahlroß wiederbekommt. Auch durch das Gegenteil erhält man das Rad nicht zurück.

Die Pumphosen der Radlerinnen sind auch bei solchen Männern beliebt, die nicht Radier sind. Sie können selbst bei Radlerinnen nicht beliebter sein.

Denjenigen Damen, welche gerne radeln möchten, aber nicht die Mittel haben, ein Rad zu kaufen, ist das Arbeiten an der Nähmaschine als Ersatz zu empfehlen. Natürlich wird dies ohne nennenswerten Erfolg empfohlen.


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 36-37.
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