Sowie

[84] und ladet die Freunde dazu ein. Da die Kunst, eine Bowle zu bereiten, wenig verbreitet und mancher Bowlenanfänger zu stolz ist, seine Schülerhaftigkeit einzugestehen und einen Kenner zu Rate zu ziehen, so giebt es kaum etwas, was mit größerer Sicherheit zu erwarten ist, als die besagten Kopfschmerzen.

Versteht der Bowlenfreund nichts von der Kunst, eine Bowle so zu bereiten, daß sie kein Unheil anrichtet, so hat dies den Vorteil, daß er in der Wahl der Bowle nicht beschränkt ist. Er kann zu einer Erdbeer-, einer Pfirsich- oder einer Ananas-Bowle einladen, immer werden seine Freunde am folgenden Morgen mit Kopfschmerzen aufwachen.

Wo der Bowlenstümper eine Quelle kennt, woselbst er die besten Zuthaten zur Herstellung einer wohlerzogenen und umgänglichen Bowle findet, wird er sie bestimmt vermeiden. Der moderne Knigge hat darin durch viele Sommer das Erstaunlichste leisten sehen.

Will der Bowlenlaie für seine zerrüttende Thätigkeit obenein gelobt sein, so fragt er die eingeladenen Opfer, wie ihnen die Bowle schmecke. Die Antwort wird in den meisten Fällen eine unbedingt lobende sein. Dies liegt daran, daß ein Bowlendilettant allgemein gefürchtet wird, weil ein Mann, auch der mit unbescholtenstem Vorleben, der eine schlechte Bowle herstellt, zu allem fähig erscheint.

Der Bowlenpfuscher zeichnet sich dadurch nicht vor[84] allen auf anderen Gebieten wirkenden Pfuschern aus, daß er in einem Tadel nichts als Neid sieht, den Tadel nicht ernst nimmt und den Tadler für einen Nichtskönner hält. Antwortet man ihm auf seine Frage, wie man die Bowle finde, daß man sie nicht so schlecht machen könne, wie er sie selbst gemacht habe, so wird er, wenn alle Mittrinker derselben Meinung sind, in diesem Urteil nichts als den gemeinsten Bowlenneid erblicken. Trotzdem wird er leider den Beurteiler wieder einladen, denn der Bowlentyrann kennt keine Nachsicht.

Wird auf den Bowlenwirt getoastet, so stimmt alles begeistert ein, weil ihn dies zum Trinken animiert und er dadurch gleichfalls den Kopfschmerzen nicht entgeht.

Wenn unser Finanzminister schon etliche unverdauliche Bowlen hinter sich hätte, so würden wir längst eine Bowlensteuer und ein Gesetz haben, nach welchem der Bowlenfabrikant den Befähigungsnachweis zu liefern hätte. Daß dies nicht der Fall ist, beweist leider, daß unser Finanzminister noch niemals unter traurigen Bowlenverhältnissen gelitten hat.

Unsere Bowlengesellschaften, an deren Spitze ein unfähiger Bowlenist steht, brauchen ferner die Unfallversicherung, die Invalidenversorgung, eine Krankenkasse und die Entschädigung unschuldig zum Mittrinken Verurteilter.

Werden die Gläser zum ersten Mal vollgeschenkt, so greife man nicht sofort zu, sondern warte erst, bis etliche mutige Männer getrunken haben, von denen man weiß, daß sie keine Bowlengigerl sind. Erst wenn man sich überzeugt hat, daß diese Vortrinker nicht um sich schlagen und nicht nach Waldmeister, Mosel, Zucker, Cognac und anderen Ingredienzen schreien, dann erst greife man mutvoll zu und trinke vertrauensvoll in die Zukunft. Dagegen lege man auf das Lob des Wirtes nicht eher Wert, als bis er den Besten seiner Zeit[85] genug gethan hat oder wenn ihm ein guter Bowlenruf vorangeeilt ist. Sonst ist er ein Bowlenfänger.

Ist die Bowle gelungen, so wird man bemerken, daß man alle Anekdoten, welche erzählt werden, neu und gut findet, obschon sie alt und schlecht sind. Dies ist die Macht der gelungenen Bowle, nicht die der alten und schlechten Anekdoten.

Wird ein Trinker im Laufe der Bowle sehr mitteilsam oder geschwätzig, so höre man nicht zu, denn dieses schadet der Bowle nichts, wenn sie gut ist.

Trinker, welche nach dem vierten Glas zärtlich zu werden und das Brüderschafttrinken zu kriegen pflegen, bekommen solche Zustände namentlich bei der Bowle. Ist man ein Mann, dem selbst die zärtlichsten Männer gleichgültig sind, so habe man Geduld mit ihnen, denn solche Trinker fallen gewöhnlich bald unter den Tisch.

Gehören Damen zur Bowlenrunde, so sage man ihnen, es schade ihnen die Bowle nicht, sie könnten trinken nach Herzenslust. Dies wird von ihnen nicht geglaubt, und sie trinken daher mehr als sie vertragen können. So reizend eine Frau ohne Spitz sein kann, so reizend kann eine Frau mit einem Spitz sein.

Der Stadtbewohner, der seine Gäste


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 84-86.
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