Damenball

[78] einen Fortschritt vollzogen, welcher die Grundidee des Paradieses, die ich die Paarweisheit der Schöpfung nennen möchte, als eine veraltete oder gar burleske enthüllt.

Zur Ehre der Männer muß hier eingeschaltet werden, daß sie noch niemals auf die lächerliche Idee gekommen sind, einen Männerball in Scene zu setzen, bei dem Vergnügen des Tanzens auf die Damen zu verzichten. Es war der von der Emanzipationssucht erhitzten Phantasie der Frauen vorbehalten, einen Ball zu ersinnen, der die Männer ausschließt, das durch seine Eingeschlechtlichkeit einzig dastehende Zerrbild eines Balles, dessen Lächerlichkeit die des aus Damen bestehenden Militärs in den blödsinnigsten Operetten und Possen bedeutend übertrifft. Selbst in Frauen-Irrenhäusern kam meines Wissens bisher noch keine Unheilbare auf den Gedanken, von einem Ball das männliche Geschlecht auszuschließen, wie noch kein Verrückter den Plan entworfen hat, vom Seedienst die Männer auszuschließen, oder eine Feuerwehr aus Frauen zu bilden. Man kann sich denken, daß eine Dame zur Männerfeindin wird und keinen Ball besucht, um nicht mit Männern tanzen zu müssen, wohl aber, daß eine Dame, die nur mit Damen tanzt, nicht ganz komplett ist, genau wie ein Mann, der nur einen Mann zum Tanz führen mag. Jedenfalls ist beides wenigstens geschmacklos.[78]

Der Damenball wird als Kostümball arrangiert. Es erscheinen Damen in Männertracht. Völlig mögen die Tänzerinnen doch nicht auf das Ewig-Männliche verzichten und lege dies ihnen auch nur als hohle Maske den Arm um die Taille. Sie sind verschämte Vegetarianerinnen. Daran sieht man, welch eine Karikatur dieser Ball ist.

Als dieser neu war, hatte sich dann und wann ein Mann in Damenkostüm eingeschlichen. Als ein solcher Eindringling mit dem Adlerblick der Damen für männliches Wesen entdeckt wurde, warf man ihn hinaus. Wer weiß, wie sich einige der Damen amüsiert haben würden, wenn sie anstatt seiner etliche alte Jungfern hinausgewiesen hätten!

Besucht eine Dame diese Mißbälle, so spreche sie nicht darüber, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen will, daß man sagt, man habe ihr diese Lächerlichkeit zugetraut.

Teilt eine Frau ihrem Gatten mit, daß sie den Damenball besuchen wolle, so teile er dies sofort dem Hausarzt mit, der vielleicht ein ganz einfaches Mittel zu empfehlen weiß.

Wollen die Töchter des Hauses auf den Damenball gehen, so rede der Vater gar nicht erst mit dem Hausarzt, sondern rede mit sich selbst und zwar in Ausdrücken, welche die Hörerinnen veranlassen, ihre Absicht fallen zu lassen.

Mütter, welche den Damenball mitmachen und deren Portemonnaie eine Flasche Sekt vertragen kann, während sie selbst nicht an dieses Getränk gewöhnt sind, werden gut thun, sich zu merken, daß ihre Kinder, wenn sie bitten, ihnen etwas mitzubringen, niemals einen kleinen oder größeren Affen, sondern lediglich Bonbons meinen. Jedenfalls mögen sie, bevor sie das Haus verlassen, einen Hering für den nächsten Morgen kalt stellen lassen, obschon dieser Fisch ohne[79] Wirkung bleibt, sondern nur die ihn verzehrenden Mütter zu der Erklärung kräftigt, niemals wieder den unpassenden Damenball-Ulk mitzumachen.

Hat diese neue Species der Ballmütter, hat also die Damenballmutter einen Sohn, der Primaner ist oder gar schon die Universität besucht, oder schon eine Zeit lang in einem Bureau angestellt ist, so vertraue sie sich dem jungen Mann in Katerfragen an. Er wird ihr sagen, wie sie sich im Katzenjammer zu verhalten hat, so daß sie sicher sein kann, schon am zweiten Tage nach dem Ball alle Kopf- und Magenbeschwerden los zu sein. Es wird der Dame dann auch ein Leichtes sein, durch musterhaftes Verhalten die ihr im Kreise der Familie gebührende Achtung, die unter der grausamen Herrschaft des Vaters verloren gegangen ist, wieder zu finden.

Wenn reife Männer auch nicht von Frauen verlangen werden, ausschließlich himmlische Rosen ins irdische Leben zu flechten und zu weben und der Liebe beglückendes Band zu flechten, so werden sie ihnen doch den wohlmeinenden Rat geben, zum scharfen Trinken auf den Damenbällen nicht die schweren Cigarretten zu rauchen und namentlich im Cognacgenuß mäßig zu sein. Als selbstverständlich darf wohl angenommen werden, daß die Besucherinnen der Damenbälle schließlich nicht zu Fuß den Weg nach Hause antreten, sondern sich einer Nachtdroschke bedienen werden, namentlich wenn sie sich etwas schwach auf den Füßen fühlen und fürchten müssen, in diesem Zustand von Passanten verhöhnt oder gar von den Nachtwächtern aufgegriffen und ins Polizeibureau geführt zu werden.

Es empfiehlt sich überhaupt, daß die Frauenbewegung sich nicht über alle Gebiete verbreite, welche wie die des Katers und Affen wie die der militärischen zu Lande und zu Wasser, der Handelsmarine,[80] der parlamentarischen, der polizeilichen, der Bauten und etlicher anderen die ausschließlichen Domänen des männlichen Geschlechts bisher gewesen sind und vor läufig noch bleiben werden.

Die Reihe solcher Tage, welche nicht eigentlich Festtage sind aber am häuslichen Herd, in der Familie, im Organismus des Hauses doch sich durch ein besonderes, außergewöhnliches Ereignis, eine neue Erscheinung oder eine unerwartete Episode von anderen Tagen fast festlich oder fast feiertäglich abheben, ist nicht klein. Sie interessieren die Familienmitglieder aber annähernd so wie Festtage. Es wird dem modernen Knigge nicht möglich sein, sich mit allen zu beschäftigen, denn es giebt in vielen Familien solche, die sich in anderen Familien nicht finden lassen und deren eingehende Betrachtung somit halb überflüssig sein würde. Aber einige dieser außerordentlichen Tage leuchten doch in allen oder in nahezu allen Etagen und Parterrewohnungen, und es wird daher nötig sein, sich mit ihnen zu beschäftigen. Einer dieser Tage ist der des Einzugs in


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1902, Bd. III, S. 78-81.
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