Die Sammlung Suermondt

[90] Doch das Jahr 1874 brachte uns, ganz unverhofft, etwas Angenehmeres als die sich immer erneuernden, aufreibenden und nutzlosen Kämpfe mit dem Generaldirektor. Anfang April bekam ich einen Brief von Barthold Suermondt, durch den er uns seine Gemäldesammlung zum Kaufe anbot. Die Sammlung, die ich wiederholt gesehen und von der ich mir einen Katalog gemacht hatte, galt damals als die bedeutendste Galerie alter Gemälde in deutschem Privatbesitz. Die hervorragendsten älteren Autoritäten unter den Kunsthistorikern: Waagen, Bürger, Mündler hatten sie beschrieben, katalogisiert und gefeiert, zum Teil weit über Gebühr. In England freilich[90] hatte der Verkauf des von Bürger als »herrlichsten Rembrandt« gepriesenen »Christus, der die Kindlein segnet« an die National Gallery gegen Suermondt und seine Sammlung sehr eingenommen. Das Gemälde wurde bald als Schulwerk, wenn auch als treffliches, erkannt. Um so lauter sangen die Zeitschriften von Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland das Lob der Galerie.

Suermondt hatte die Sammlung seit 1873 in Brüssel ausgestellt, offenbar schon in der Absicht, sie zu verkaufen, da er – was uns bei unserer damaligen mangelhaften Fühlung mit Finanzkreisen nicht be kannt war – durch die Krisis von 1873 außerordentliche Verluste gehabt hatte und zu dem Verkauf geradezu gezwungen war. In London und Paris bot sich ihm keine Chance dazu, ebensowenig in Holland; in Belgien war die monatelange Ausstellung auch ohne Wirkung geblieben. So schien dem Besitzer Berlin damals allein noch Aussicht zu bieten, obgleich unsere beschränkten Mittel gerade so gut wie erschöpft waren. Das Angebot fiel in der Tat auf guten Boden; Graf Usedom wurde gar nicht benachrichtigt, aber der Minister gab sofort Auftrag, in Verhandlungen einzutreten, worauf Direktor Meyer mit dem Restaurator Schmidt nach Brüssel abreiste, da sie die Sammlung nicht kannten, während ich ein ausführliches Separatgutachten machte. Ich war der Ansicht, daß die Sammlung manche unbedeutende, sowie falsch benannte und überschätzte Bilder enthielte, und daß daher der Ankauf einer Auswahl, etwa des fünften oder vierten Teiles, das richtigste wäre. Freilich fürchtete ich, daß der Besitzer dafür nicht viel weniger fordern würde als für das Ganze, und daß es voraussichtlich schwieriger sein würde, vom Landtage das Geld für eine kleine Zahl von Bildern zu erhalten als für die ganze berühmte Sammlung. Dem stimmten sowohl Geheimrat Schoene wie der Minister und der Protektor bei. Zu gleichem Resultat kam Geheimrat Meyer, der nach schwerem Kampf den Preis für die ganze Sammlung, einschließlich einer reichhaltigen Sammlung alter Handzeichnungen, auf 350000 Taler aushandelte.[91]

Die große Schwierigkeit der Unterhandlung mit dem Besitzer lag in seiner Überschätzung der Sammlung und in der Reklame, die dafür in allen Fachblättern gemacht war. Von jedem Künstler glaubte er das Meisterwerk zu besitzen, von einzelnen gleich ein halbes Dutzend, und bei seiner eindringlichen Überredungsgabe wußte er die meisten zu überzeugen. Ja, es war ihm gelungen, Fachleute wie Waagen, Woltmann, C.v. Lützow und andere zu überreden, daß sie gerade die zweifelhaftesten Bilder als die bedeutendsten ausposaunten. Der Katalog seiner Ausstellung in Brüssel zählte sechs Bilder von Rembrandt auf, während nur eines vom Meister herrührte, drei Vermeer statt eines echten, fünf A. Cuyp statt eines oder höchstens zwei usw.

Wenn also später von einer Seite, von der wir es nicht erwarteten, vom Finanzminister Camphausen, dem Ankauf scharf opponiert wurde, weil die Sammlung sehr überschätzt werde und manche zweifelhafte und unbedeutende Bilder sich darunter befänden, so war das keineswegs ganz unbegründet. Camphausen kannte die Sammlung zwar nicht aus eigener Anschauung, besaß auch gar nicht die Kenntnisse oder den Geschmack, um sich ein Urteil darüber zu bilden. Aber als eingefleischter Kölner hatte er keine Sympathie für den halb internationalen Aachener, und sein Urteil über dessen Kunstbesitz stützte sich (wenn auch nicht eingestandenermaßen) auf die Ansicht des bedeutendsten Kölner Sammlers, des ihm nahestehenden Adolf Carstanjen, eines sehr futterneidischen, unerfreulichen Herrn. Der Grund, den der Finanzminister aber aus eigenster Empfindung gegen den Ankauf geltend machte, war ein durchaus nicht unberechtigter. Er sagte, der Berliner Galerie fehlten vor allem imposante Hauptwerke der großen Meister. Solche besäße die Galerie Suermondt nicht, wohl aber fänden wir sie in der Galerie des Museo del Prado, die bei den derzeitigen politischen Verhältnissen in Spanien sicher ganz oder teilweise zu haben sei. Er würde uns gern bis zu 50 Millionen Pesetas zur Verfügung stellen, wenn wir sie auch nur teilweise erwerben würden.[92]

Diese Erklärung des Finanzministers ließen wir natürlich nicht unbeachtet, zumal er sie im folgenden Jahr noch einmal ausdrücklich wiederholte, aber ernstliche Bemühungen in der von ihm angedeuteten Richtung durften wir nicht machen. Schon unser Minister Falk war gar nicht begeistert von der Idee, und als wir sie schließlich durch den Finanzminister dem Fürsten Bismarck vortragen ließen, bekamen wir den Bescheid, daß er niemals auch nur zu dem Versuch seine Zustimmung geben würde. Sollte die spanische Regierung jetzt aus Not wirklich darauf eingehen, so würde es uns die spanische Nation nie vergessen und den Ankauf stets als Raub betrachten, mochten wir auch noch so viel dafür bezahlt haben! Kunstsammlungen seien heutzutage der Stolz und die Eitelkeit jeder Nation, auch wenn sie ebensowenig davon verstünde wie er selbst.

Camphausen hielt an seinem Widerstand gegen den Ankauf der Suermondt-Sammlung nicht nur uns, sondern auch dem Minister und dem Protektor gegenüber fest, obgleich Suermondt selbst dafür sorgte, daß alle Zeitungen die Gelegenheit als eine einzigartige hinstellten. Schließlich gelang es dem Abgeordneten von Bennigsen, einem Fraktionsfreund meines Vaters, Camphausen dadurch zu entwaffnen, daß er ihn fragte, ob er sein Verfahren im Abgeordnetenhause vertreten wolle, indem er sich als Sachverständiger über sämtliche dazu berufenen Sachverständigen stelle. Daraufhin gab Camphausen nach. Die Summe wurde in den Nachtragsetat gestellt und durch beide Häuser bewilligt.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 90-93.
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