Misserfolge

[93] Über dem Ankauf der Suermondt-Sammlung versäumten wir leider die Erwerbung eines ganz hervorragenden Bildes. Noch ehe der Kauf entschieden war, meldete sich unerwartet der Mailänder Kunsthändler Baslini in Berlin mit dem herrlichen männlichen Bildnis von Andrea Solario, das er uns ein Jahr vorher in der Villa Mylius in Genua gezeigt hatte, und mit dessen gelegentlichem Kauf wir ihn beauftragt hatten. Baslini blieb fast vierzehn Tage und ging in seiner Forderung schließlich[93] auf 27000 Lire herunter, nur um mit unseren Museen endlich in nähere Beziehungen zu treten. Aber Meyer scheute die Schwierigkeiten, welche die Einbeziehung des Kaufes in die Suermondt-Sammlung gemacht hätte, studierte das völlig intakte Bild täglich mit den größten Lupen und suchte die Ablehnung vor sich selbst damit zu rechtfertigen, daß es doch zu sehr gelitten habe. Wenige Wochen später kaufte Sir William Boxall, der trotz seiner achtzig Jahre mitten im Winters eigens deswegen nach Mailand fuhr, das Gemälde um 50000 francs für die National Gallery, zu deren Hauptschätzen es seither gehört.

Meyers Unentschiedenheit, die sich mit dem zunehmenden Nervenleiden und der Morphiumkrankheit allmählich zu völliger Entschlußlosigkeit steigerte, zeigte sich in noch höherem Maße gelegentlich der Versteigerung Barker in London kurz nach der Entscheidung über den Suermondt-Ankauf. Ich hatte zwei Gemälde aus dieser Sammlung, die dem Fiorenzo di Lorenzo zugeschriebene Madonna (jetzt im Musée André in Paris) und das merkwürdige Rundbild der Anbetung der Könige aus der Werkstatt des Pisanello, vorgeschlagen. Meyer, der sich Mr. Rutter eigens aus Paris zur Versteigerung nach London hatte kommen lassen, akzeptierte diese Wahl. Während der Versteigerung erhob er sich, kurz bevor das erste der beiden Bilder ausgerufen werden sollte, und sagte Rutter, er müsse sich rasch eine Morphiuminjektion machen; ehe er zurückkäme, solle Rutter keinesfalls bieten. Er kam aber erst nach Schluß der Versteigerung wieder; es war das erste und letzte Mal, daß er selbst einer Versteigerung beiwohnte. Beide Bilder gingen zu mäßigen Preisen fort. Das Tondo konnte ich später zufällig in Paris ganz billig erwerben, während Agostino Castellani die Madonna von Fiorenzo gekauft hatte, auf dessen Versteigerung 1883 sie um das Vierfache des Preises, den sie bei Barker gebracht hatte, verkauft wurde.

Die Begeisterung, mit der von allen Seiten der Ankauf der Suermondt-Sammlung aufgenommen wurde, hatte bei den reichen Überschüssen, die der preußi sche Etat damals aufwies,[94] auch in den Ministern die Lust zu weiteren Ankäufen geweckt. Selbst Camphausen regte sie an, auch nachdem Bismarck jeden Versuch zur Erwerbung von Bildern aus der Madrider Galerie a limine abgelehnt hatte. Von Paris aus war uns schon einige Zeit vorher eine große Conzeption Murillos aus dem Besitz der Königin Isabella angeboten worden. Aber das Bild befriedigte uns nicht, zudem war eine feste Forderung von der hohen Dame nicht zu erlangen; wir müßten ein Gebot wesentlich über 300000 francs machen, die schon abgelehnt worden seien. Das Bild ist später mehrfach auf Versteigerungen in London und Paris wieder aufgetaucht und schließlich, wenn ich nicht irre, für das Museum in Chicago erworben worden. Weit mehr interessierte uns ein Angebot aus Wien: das jugendliche Selbstbildnis A. Dürers vom Jahre 1493, eine Wasserfarbenmalerei auf Pergament, die mir schon aus meiner Wiener Studienzeit bekannt war. Damals sollte es 3000 Gulden kosten, inzwischen war es unbarmherzig verputzt und übermalt worden, aber der Preis hatte trotzdem die Höhe von 25000 Gulden erreicht. Aus beiden Gründen verzichteten wir schließlich auch auf diesen Ankauf. Das Bild ist bald darauf von Dr. Felix in Leipzig erworben und von dessen Sohn an L. Goldschmidt in Paris verkauft worden. Goldschmidts Erben glauben einen ihrem Riesenvermögen entspre chenden Preis fordern zu müssen, eine Million francs, die sicher gelegentlich auch von einem amerikanischen Geldmagnaten gezahlt werden – also fast das Hundertfache des ursprünglichen Preises!

Neben der Galerie suchte ich gleichzeitig bei Vermehrung der Sammlungen des Kupferstichkabinetts behilflich zu sein, namentlich nach der Richtung, die am schwächsten vertreten war und die mich persönlich, von meinen früheren Studien her, am meisten interessierte, die Abteilung der Handzeichnungen. Auf meinen Rat wurde in den Suermondtschen Kauf dessen reichhaltige Sammlung der Zeichnungen, meist Niederländer des 17. Jahrhunderts und einige wenige treffliche Franzosen des 18. Jahrhunderts, mit eingeschlossen. Schon[95] vorher hatte ich auf die Sammlung des Oberbaurats Haussmann in Hannover aufmerksam gemacht, deren Erwerbung schließlich durch Entgegenkommen der Erben um 8000 Taler gelang – leider ohne die Dürer-Zeichnungen, die fideikommissarisch der Schwiegertochter, Frau Ida Haussmann in Braunschweig, vermacht waren. Mit einer anderen Zeichnungensammlung, der Weigelschen in Leipzig, hatte ich nicht dasselbe Glück, da ich hier neben der Gleichgültigkeit und der Zauderpolitik des Generaldirektors auch das Übelwollen des damaligen stellvertretenden Direktors vom Kupferstichkabinett, Professor Weiß, zu bekämpfen hatte. Ein Versuch, die wert vollen altitalienischen Zeichnungen der Grahlschen Sammlung zu erwerben, mißlang aus dem gleichen Grunde. Eine Reihe einzelner Ankäufe von altitalienischen Zeichnungen und Miniaturen, die damals zwar nur vereinzelt, aber dann doch noch sehr billig im italienischen Handel vorkamen, wie den ganz billigen Kauf eines Skizzenbuches von G.B. Tiepolo und anderes, konnte ich trotz dieser Schwierigkeiten durchdrücken.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 93-96.
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