Rembrandts Greis

Ouwaters Auferweckung des Lazarus und andere Erwerbungen

[65] Meine regelmäßigen Reisen unterbrach ich auch in diesen Jahren nicht. Selten versäumte ich (wenn nicht ganz dringende Arbeiten im Museum mich zurückhielten) die Winter-Exhibition in London. Ebenso war ich regelmäßig im Frühjahr und womöglich auch im Herbst in Italien, wenn auch nur auf zwei bis drei Wochen. Die Erwerbungen an Gemälden für unsere Galerien waren dabei freilich spärlich, da ich wegen[65] der Unmöglichkeit, Meyer bei seiner immer zunehmenden Unsicherheit zu einer Entscheidung zu bewegen, die guten Bilder, die billig im Handel waren, meist für Straßburg und für Bekannte kaufen mußte, die kostspieligeren für Rudolf Kann und später für Alfred Beit, da die deutschen Sammler mehr als höchstens 20000 Mark für ein Bild damals noch nicht anwenden wollten. Nur den Greis in ganzer Figur von Rembrandt, eine Erwerbung von Baron Alfred Rothschild, die er als seiner Sammlung unwürdig zurückgegeben hatte, und die Auferweckung des Lazarus von Ouwater konnte ich in diesem Jahre für uns durchsetzen. Letztere war uns in einer Photographie nach Berlin geschickt worden, wo Scheibler sogleich erkannte, daß es sich um das von Mander erwähnte Bild des damals noch ganz unbekannten holländischen Malers handelte. Der Besitzer, ein Marchese Manelli, den ich bei meinem nächsten Aufenthalt in Genua besuchte, glaubte einen Leonardo zu besitzen, dies Gemälde erwies sich freilich als eine schwache Kopie nach Luini. Ich erklärte dem Besitzer, daß ich seinen Leonardo nicht brauchen könne, dagegen den angeblichen Dürer – so war das Bild bezeichnet – kaufen würde. Damals lehnte er jedes Gebot ab, aber der Ankauf gelang mir bald darauf von Berlin aus um etwa 30000 Mark.

Zahlreicher fielen die Ankäufe für die Abteilung der Bildwerke christlicher Epoche aus, namentlich in Italien, zumal wir durch Versteigerung der Magazinware der alten Kunstkammer 1887 die Summe von etwa 27000 M. für diese Abteilung flüssig machten. Erwerbungen aus dieser Zeit sind Donatellos Marmormadonna aus dem Hause Pazzi (1887), die große Gruppe der Beweinung Christi von Giovanni della Robbia (1887), die bemalte Tonbüste des jungen Johannes von Donatello und eine fein bemalte weibliche Stuckbüste in der Art des Desiderio (1890), eine kleine Sammlung seltener Bronzereliefs und Plaketten aus dem Besitz von M. Guggenheim in Venedig, die große bemalte Tonmadonna von Luca, die Bronzebüste des B. Spagnuoli von Gavalli (Paris 1888).[66] Dane ben konnte ich unsere Sammlung der Stuckreliefs und der Plaketten wie die der deutschen Plastik weiter vermehren.

Die erste und einzige Reise, welche ich nach Sizilien machte – im Juni 1888, zusammen mit Adolf von Beckerath – brachte keine Erwerbungen für unsere Sammlungen, während sie mir neben dem reichen Natur- und Kunstgenuß durch einen weiteren Einblick in die damals von der Kunstgeschichte noch arg vernachlässigte islamische Kunst wertvoll wurde.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 65-67.
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