Besuch der Ausstellungen in Brügge, Paris und Düsseldorf

[146] Vom Jahre 1902 ab konnte ich endlich meiner Gesundheit wieder zutrauen, den großen Ausstellungen alter Kunst, die sich in jenen Jahren rasch folgten, einen kurzen Besuch abzustatten. Im Jahre vorher noch hatte ich bei meinem Frühjahrsbesuch in Italien die Überanstrengung eines einzigen Tages in Venedig mit mehrwöchigem Krankenlager zu büßen. Dort war es dem Fürsten Lichnowsky, den ich auf seinen Wunsch bei den Händlern einführte, gelungen, mich trotz seines Alters und eines Holzbeines so zu übermüden. Damals vollendete Adolf Hildebrand eine Marmorbüste von mir, die der Bürgermeister von Straßburg, Dr. Back, für seine Galerie bestellt hatte. Nach einem gleichzeitig gearbeiteten Profilrelief,[146] das er in wenigen Stunden, während ich im Bett lag, modellierte, ist die Silbermedaille gearbeitet worden, die mir im Sommer bei Vollendung meines dreißigsten Dienstjahres von meinen damaligen und früheren Galeriebeamten verehrt wurde.

Der Besuch der Ausstellung altniederländischer Gemälde in Brügge 1902 war die erste Reise, auf der ich meine Kräfte wieder einmal zu messen wagte. Obgleich ein zweimaliger, längerer Besuch mich sehr er müdete, hatte er doch, dank auch der Unterstützung durch meinen Begleiter Dr. Friedländer, keine üblen Nachwirkungen und gab mir dadurch den Mut, mir in Zukunft wieder mehr zuzutrauen. Diese bedeutendste Ausstellung alter Kunst, die die ausstellungswütigen Belgier je gemacht haben, war in verschiedenen Richtungen sehr belehrend und hat auf die Forschung besonders anregend gewirkt.

Die Ausstellung enthielt auch verschiedene altfranzösische Gemälde, die als niederländisch galten. Diese Bilder gaben dem jungen Forscher Hulin de Loo, Professor der Philosophie in Gent, der einen ausgezeichneten Katalog der Ausstellung verfaßt hatte, Gelegenheit, über die Vernachlässigung und vollständige Unkenntnis der älteren französischen Malerei ein deutliches Wort zu sagen. Dadurch reifte der Plan zur Ausstellung der »maîtres primitifs français«, die zwei Jahre später in Paris stattfand und einen ähnlich bedeutenden Erfolg hatte. Von diesen Ausstellungen datiert ein neuer Aufschwung des Studiums der nordischen Malerei überhaupt.

Der Brügger Ausstellung folgte im Jahr darauf eine in ihrer Art wieder ganz neue Ausstellung, die »Exposition de l'Art Musulman« in Paris, in der freilich ohne besonderes wissenschaftliches Bestreben eine Reihe hervorragender Arbeiten islamischer Kleinkunst aus Pariser Privatbesitz, namentlich ausgezeich neter Glaslampen, persischer Teppiche und Miniaturen, gezeigt wurden. Sie war hauptsächlich als Vorbereitung der bedeutenden Islamischen Ausstellung in München von Wichtigkeit. Für mich bot die Ausstellung, bei meiner Vorliebe für[147] die ältere Kunst Asiens, ein besonderes Interesse. Sie bestärkte mich zugleich auch in dem Plan, für unsere Museen eine besondere Abteilung islamischer und chinesisch-japanischer Kunst zu begründen.

Im Frühjahr 1904 folgten gleich zwei bedeutende Ausstellungen, die ich beide besuchte, obgleich die Aufstellung im fast vollendeten Kaiser-Friedrich-Museum unmittelbar bevorstand: die Pariser Ausstellung der »maîtres primitifs français« und die große Düsseldorfer Ausstellung, letztere mit einer sehr reichen Zusammenstellung der älteren Kunst vom Rheinland und Westfalen. Unsere Museen hatten dabei mitgeholfen durch Abformung einer Reihe der hervorragendsten mittelalterlichen Denkmäler Westfalens, die in der Ausstellung vorteilhaft zur Geltung kamen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 146-148.
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