Ernennung Justis zum Direktor der Nationalgalerie

[211] Im März 1909 war Alfred Messel seinem Leiden erlegen, ohne daß er an die Durcharbeitung der Pläne seit ihrer Ablieferung im Sommer 1907 wieder Hand hätte anlegen können. Unser Minister Holle lag als Opfer der Anstrengungen eines Amts, dem seine Begabung und seine Kräfte nicht gewachsen waren, hoffnungslos krank darnieder, und Althoff, der seinetwegen hatte zurücktreten müssen, begann zu siechen und starb nicht lange darauf. Auch die Stellung des Fürsten Bülow war seit der »Novemberaussprache« erschüttert. Anfang des Sommers erfolgte sein Rücktritt, und der Staatssekretär des Innern, Herr von Bethmann-Hollweg, wurde sein Nachfolger. An Holles Stelle wurde nicht, wie man allgemein erwartete, der Unterstaatssekretär Schwarzkopf, sondern der Oberpräsident von Brandenburg, Herr von Trott zu Solz, ernannt, der unseren Museen und sämtlichen Beamten bisher völlig ferngestanden hatte. So schienen sich für unsere nach verschiedenen Richtungen sehr schwierigen Museumsangelegenheiten wenig günstige Aussichten zu bieten.

Ludwig Justi, der gleich nach seiner Universitätszeit zwei Jahre Hilfsarbeiter unter mir gewesen war, hatte eine rasche Karriere gemacht. Mit etwa 27 Jahren war er als außerordentlicher Professor nach Halle berufen und von dort gleich darauf zum Nachfolger Weizsäckers an das Staedel-Museum in Frankfurt gewählt worden. Als er hier, mit Hilfe von Adickes, gründliche Reformen anstrebte, wurde er, da er zu rücksichtslos vorging, 1905 zum Rücktritt gezwungen, erhielt aber durch Geheimrat Schmidt sofort die Stellung als Sekretär der neuen, eben fertiggestellten Akademie der Künste. Seine[211] Position wußte er noch dadurch zu stärken, daß er – wobei ihm offiziell jede Förderung zuteil wurde – wegen Übernahme der kunsthistorischen Professur am Polytechnikum in München, mit der Aussicht späterer Übertragung auch der Pinakothekleitung, in Unterhandlungen trat. Doch zerschlugen sich diese.

Als Tschudi dann gleich nach seiner Rückkehr aus Japan die Stellung als Direktor der Bayerischen Staatssammlungen angenommen hatte und mir die Sorge für einen Nachfolger an der Nationalgalerie, die damals wenigstens äußerlich noch der Generalverwaltung unterstand, oblag, gab mir Geheimrat Schmidt zu verstehen, daß ihm Justi dafür der geeignete Mann schiene. Ich verheimlichte Geheimrat Schmidt nicht, daß ich anderer Ansicht sei.

Einige Zeit später las ich in Florenz in der Kölnischen Zeitung, daß Professor Ludwig Justi zum Di rektor der Nationalgalerie ernannt worden sei! Ich habe brieflich wie mündlich weder Geheimrat Schmidt noch dem Herrn Minister gegenüber mit meiner Meinung über dies Vorgehen hinter dem Berg gehalten. Schmidt berief sich darauf, daß ich ja auf die Nationalgalerie gar keinen Wert gelegt und lange schon die Absicht ausgesprochen habe, sie aus dem Bereich der Generalverwaltung ganz auszuscheiden. Und der Minister sagte mir, die Vorschläge bei Sr. Majestät zur Ernennung seiner Beamten habe er zu machen. Ich erwiderte ihm darauf: aber die Vorschläge für diese Beamten bei Euerer Exzellenz habe ich zu machen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 211-212.
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