Die Behandlung des Materials für die Ölmalerei.

Der Wunsch jedes Malers ist: sein Werk so lange wie möglich der Mitwelt und den späteren Generationen in gutem Zustand zu erhalten; so weit es natürlich an ihm selbst liegt.

Zerstörende Einflüsse, die eine Vernichtung schon vor der Zeit zur Folge haben, können durch das angewandte Material selbst oder durch unrationelles Arbeiten des Schöpfers bewirkt werden.

Daß Farben sich verändern oder gar verschwinden, liegt in ihrer chemischen Zusammenstellung, so daß einzelne ihrer Bestandteile sich nicht mit der Luft vertragen können, oder durch die Mischung von solchen Farben, die nicht nebeneinander existieren können, so daß in beiden Fällen eine Veränderung nach chemischen Gesetzen vor sich geht. Z.B. soll Cremser-Weiß mit vielen Farben: grünen, schwefelgelben, zinnoberroten sich absolut nicht vertragen können. Sie sollen zu einer grauen Tönung werden. Es wird in diesem Falle angeraten, Zink-Weiß zu nehmen, das sich mit allen Farben gut halten soll. Auch wird unabhängig von Cremser Weiß eine Zersetzung eintreten, sobald gewisse andre Farben miteinander gemischt werden (Mischungen mit Grün[187] und Cadmiums). Die haltbarsten sind die Ockerfarben. Von den schwarzen Farben sind die Bitumfarben (Asphalt, Caßler Braun etc.) durch ihr Vernichten der helleren Beimischungen gefährlich.

Will man sich hierin besonders instruieren, welche Farben unvergänglich sind und welche nicht, so kann man in Farbfabriken diesbezügliche Tabellen erhalten.

Ich selbst habe hierin keine schlechten Erfahrungen gemacht, denn während meiner zweiunddreißigjährigen Tätigkeit habe ich an keinen, auch an den weit zurückliegensten Arbeiten eine besondere Veränderung der Farben konstatieren können, außer dem nivellierenden Zusammenwachsen aller Farbschichten zu der sogenannten Patina. Ich habe zwar nie auf das chemische Zusammenpassen der Farben aufgemerkt, aber ich habe – wenigstens in den Arbeiten, die mir des Aufhebens wert erschienen – soviel wie möglich das Hauptgesetz für jede Malerei beobachtet: naß in naß zu malen.

Wenn nur die einfachen Farben (Ockerfarben, roter Zinnober, Crapplack, Cobald, Ultramarin, Cadmiums, Smaragdgrün, Elfenbeinschwarz) verwendet werden, wird der Maler kaum über Veränderungen zu klagen haben; ganz sicher wird er gehen, wenn er die gefährlicheren, wie roten Zinnober, die Grün und Cadmiums mit Zinkweiß mischt.

Liebermann sagte mir auf eine Frage wegen Halt barkeit: »Ach wat, das wird höchstens schöner.«

Nur Anilinfarben sind absolut zu vermeiden.

Viel wichtiger ist das Thema über Reißen der Farben, Fleckigwerden und Abspringen vom Grunde.

Hier trifft die Schuld oft die Leinwand selbst. Der Ölgrund ist besonders heikel. Es kann zutreffen, daß die ganze Bildfläche trotz solidester Malerei über und über Sprünge bekommt, so daß das Ganze wertlos ist; ich glaube dieses Unglück dahin erklären zu können, daß der Grund noch zu frisch war.[188]

Noch schlimmer ist es, wenn der Grund so schlecht präpariert ist, daß sich die Farbschicht nicht mit ihm verbindet, also beides Fremdkörper zueinander bleiben. Alsdann können bei der geringsten Erschütterung große Flächen Malerei einfach vom Grunde abfallen, oder gar wenn man mit dem Messer kratzen will, schabt man das ganze Bild herunter, so daß die Leinwand in ihrem Urzustand wieder erscheint.

Um diese beiden Eventualitäten zu vermeiden, ist es anzuraten, halbsaugenden Grund zu nehmen. Man hat dieselben Vorteile wie bei dem Ölgrund, nämlich daß die Farbe in ihrem Wert stehen bleibt, und die Verbindung von Grund und Farbe vollzieht sich fast immer.

Präparierte Holzbretter sind ebenfalls auf diese Vorkommnisse hin zu prüfen. Geleimte Pappen sind zu sehr der Witterung unterworfen, als daß man sie zu ernsthaften Bildern verwenden sollte, nichtsdestoweniger können Malereien auf diesem Stoff auch Zeiten dauern. Es kann aber bei ungenügender Präparierung die Malerei schwarz werden.

In allen übrigen Fällen liegt die gute oder schlechte Erhaltung des Bildes an der Art, wie der Maler arbeitet.

Wie oft gesagt, ist das Ideal von Ölmalerei: das Malen naß in naß, d.h. solange die Farben naß sind, kann man so oft wieder rübergehen und korrigieren, wie man es für notwendig hält. Da aber selten ein Kunstwerk auf den ersten Hieb gelingt, so lasse man es trocknen und gehe wieder über das Ganze stückweise herüber und zwar so, daß man überall an eine natürliche Grenze anschließen kann. Hier sei noch zu bemerken, daß Farben derselben Qualität auch in den verschiedensten Trockenzuständen übereinander gelegt meistens gut auftrocknen; kommt aber ein entgegengesetzter Farbstoff auf einen z.B. halbtrockenen, so wird diese Schicht in kurzer Zeit reißen, weil sie natürlich in anderer Frist auftrocknet wie die darunterliegende. Ein Beispiel dafür wäre, wenn man ein weißes Kleid vollständig gemalt hätte und es würde dann notwendig[189] erscheinen, eine schwarze Schärpe (oder andersfarbige) darüber zu malen. Wenn man dieses Band einfach darüber streichen würde, müßte die Farbe reißen. Es ist nötig, daß auf den Stellen die weiße Farbe bis auf den Grund abgekratzt werden müßte.

Wenn man nur stellenweise übermalen will, so werden diese Korrekturen aus den oben angeführten Gründen als dunklere Flecken sichtbar bleiben. Dasselbe ist der Fall, wenn man Stücke mit Öl einreibt, um sie dann nach dem Prinzip von naß in naß zu übermalen; außer diesen Flecken werden auch noch Ränder entstehen, wo das Öl aufgetrocknet ist.

Lasuren waren früher sehr beliebt. Man stimmte Stücke einfach zusammen, indem dieselben mit einer transparenten Farbe überschummert wurden. Außerdem, daß ein Gemälde auch in seiner handwerklichen Herstellung ein gewisses Gleichheitsbild zeigen muß, ist dieses Lasieren auch nur anfangs vorteilhaft. Nach und nach wird diese dünne Farbe von der stärkeren Unterschicht aufgezehrt, und es entstehen dann nur tote und blinde Stellen.

Theoretiker haben diese Lasuren mit verschiedenfarbigen Glasplatten verglichen, die übereinander gelegt eine schönere Farbe erzeugen, als wenn diese von vornherein da wäre. Leider aber verhält es sich mit den Ölfarbenlasuren nicht so, denn sie müßten dann jede Schicht für sich existieren, was aber wider ihre Eigenschaft ist. Im Gegenteil verbinden sich alle mit der Zeit und wachsen in eins zusammen. Nur die Nachteile bleiben bestehen, indem die fremden Be standteile das Schwarz- oder Trübewerden erleichtern und ebenso das Reißen und Springen im Gefolge haben.

Aus all diesen Gründen kann ich auch die Behauptung vieler Kunstgelehrten und selbst Maler nicht für richtig halten, daß die alten Meister ihre Bilder zuerst Grau in Grau untermalt hätten, um dann mit dünnen Farbschichten das Koloristische hineinzubringen. Widerspricht dem die obige Anführung unmöglicher Haltbarkeit, so ist dem auch jede vernünftige Logik entgegen: eine[190] doppelte Mühseligkeit sich aufzubürden, um etwas zuerst anders zu machen, als es am Schlusse aussehen soll. Hauptsächlich werden dem Velasquez derartige Prozeduren angedichtet. Ein Künstler, der doch seiner Sache sicher war wie kein andrer und der all seine Werke direkt nach der Natur prima auf die Tafel bannte.

Außer den weißen präparierten Gründen kann man auch alte, gut ausgetrocknete Malereien wieder zum Malen neuer Arbeiten gebrauchen. Durch die vollständige Trockenheit (jahrelange) fallen die erwähnten Übelstände weg, und man kann malen wie auf einer reinen Tafel. Durch Einreiben mit Terpentin muß man die alten Farben nur etwas aufweichen, damit eine Verbindung mir der neuen Malerei ermöglicht wird. Es ist ein eigner Reiz mit solch alten Gründen. Die Farbe steht oft leuchtender und das Setzen der Farbe geschieht auch mit delikaterer Wirkung. Nur muß man sehen, das Ganze vollständig prima ohne die geringste Retouche herunter zu malen.

Das Firnissen der Bilder geschieht ebenfalls aus obigen Gründen am besten, wenn die Malerei vollständig trocken ist; also je länger man dem Bilde Zeit läßt, desto besser ist es. Monet soll seine Bilder zuerst nach Jahresfrist firnissen. Ein langsam trocknender geschmeidiger Firnis ist solchen vorzuziehen, die spröde sind und sofort trocknen. Es entstehen beim Firnissen oft durch die Harzzusammensetzung blaue Stellen, die in den meisten Fällen aber durch Wärme verschwinden.

Der Abschluß für jedes Bild ist der Rahmen. Vielfach herrscht die Sitte, ein Bild bereits in seinen ersten Stadien mit einem Rahmen zu versehen, um die Malerei – wie man sich ausdrückt – nach dem Rahmen zu stimmen.

Ich wähle zuerst den Rahmen, nachdem das Bild vollständig fertig ist, und zwar suche ich den Rahmen passend zu der Malerei zu bekommen. Da das Bild die Hauptsache ist, scheint mir das richtiger. Außerdem wird man verführt, falls der Rahmen schon[191] anfangs um das Bild ist, dieses weniger sorgfältig durchzubilden, da es eingerahmt viel besser aussieht wie ungerahmt.

Schließlich wäre noch an die richtige Plazierung der Bilder zu denken. Der Charakter der Ölfarbe verträgt am besten eine Seitenbeleuchtung, und zwar ist das Licht selbstverständlich von derjenigen Seite am besten, von welcher es gemalt ist. Da die Farben verschieden dick aufgetragen werden, so wirft eine verkehrte Beleuchtung von den dickeren Stellen Schlagschatten, so daß die gewollte Wirkung sehr beeinträchtigt wird. Unmöglich ist die Beleuchtung von vorne, da die Ölfarben glänzen und sich dadurch das Licht in ihnen spiegelt, so daß das Bild überhaupt zu keiner Wirkung kommt.

Manche Künstler wünschen ihre Bilder so zu malen, daß sie sich von allen Seiten günstig darbieten sollen und verändern deshalb das Gemalte, indem sie wieder unter andrer Beleuchtung arbeiten. Das scheint mir eine Danaidenarbeit. Denn unter diesen Gesichtspunkten müßte man ein Bild für jeden neuen Raum immer wieder neu malen. Und es ist doch schon Mühe genug, wenn man es frisch und künstlerisch einmal getroffen hat.

Es ist wie mit dem Rahmen, nicht das Bild soll zum Raum und zur Beleuchtung gestimmt werden, sondern umgekehrt sollen diese für das Bild passend gesucht werden.

Verwenden wir nochmals unsere Aufmerksamkeit auf die Farben und ihre Verwendung. Ich bin für das Malen mit reinen Farben ohne jede Zutat; freilich soll auch nicht vergessen sein, daß ich ein sofortiges Fertigmachen anstrebe und, falls es nicht gelingt, wieder darüber male, als wäre es das erstemal. Neben diesen mit gewissen Ölen präparierten Farben hat man zu größerer Verdünnung noch die verschiedensten flüssigen Ölfabrikate: Leinöl, Sikkativ, Terpentin. Eine Verdünnung und zwar mit Terpentinöl wäre nur anzuraten, wenn die Leinwand koloristisch präpariert werden soll; wenn die großen Massen unterwischt werden, um dann auf[192] die vorhergenannte Art das Bild fertigzustellen. Leinöl und andere Präparate machen die Untermalung bereits zu speckig.

Falls durch irgendwelche Ursachen eine schnellere Trocknung angestrebt wird, ist das schwarze Sikkativ Courtrai zu empfehlen. Das Bräunliche des Sikkativs verflüchtet sich, sobald die Malerei trocken ist und läßt die reine Farbenwirkung zu.

Außer den Ölgründen und halbsaugenden Gründen der Malleinwand existiert noch der Kreidegrund. Auf den beiden erstgenannten Gründen steht die Farbe gleich in ihrer ganzen Qualität darauf. Deshalb ist diese Leinwand günstig für Skizzen und für derartige Malereien, die ohne vieles Herumprobieren bewußt und sicher hingesetzt werden. Zu Studienzwecken sollten nur diese Arten gebraucht werden.

Der Kreidegrund wird allmählich zum Ölgrund gemacht, indem man immer wieder neu herübermalt. Die Malerei wirkt auf diese Weise trocken und behält auch länger die Frische trotz häufiger Übermalungen.

Die Pinsel sind ein notwendiges Übel. Solange die Malerei existiert, sind diese immer als Instrument zur Auftragung der Farben auf die Tafel verwendet worden (runde, breite – kurz und lang gebundene Borst- und Haarpinsel).

Seit der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist auch der Spachtel viel zu diesem Zweck gebraucht worden, hauptsächlich von Courbet. Man behandelt heutzutage die Farbe durch allerhand derartige Manipulationen, daß sie bereits als Auftrag delikat und preziös aussieht (Courbet, Manet).

Ich wiederhole aber immer wieder, daß das nicht die Hauptsache ist und falls andre Instrumente erfunden würden, diese die Art der Malerei wohl verändern, aber dem Wesen der Kunst keinen Abbruch machen würden.

Quelle:
Corinth, Lovis: Das Erlernen der Malerei. Berlin: Bruno Cassirer, 1920, S. 184-185,187-193.
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