90 [82] Brief an Alfred Kubin

Sindelsdorf, 23.1.1913


Lieber Herr Kubin, Ihr Versprechen, uns einmal in unserem einsamen Dörfchen aufzusuchen, haben Sie leider nicht wahrgemacht. – Hoffentlich ist es nur aufgeschoben; über unsrer Tür steht in strahlenden Buchstaben willkommen. Heute schreibe ich Ihnen aus einem besonderen Anlaß. Sie werden vielleicht schon von dem Auf ruf gelesen haben, den ein Kreis von Freunden der Dichterin E. Lasker-Schüler (Richard Dehmel, Karl Kraus, Selma Lagerlöf, Pauline Fürstin zu Wied, Adolf Loos, Arnold Schönberg u.a.) erläßt (›Fackel‹ No 366/367, Januar 1913/letzte Seite), um eine Geldsammlung für L.-Sch. einzuleiten, deren materielle Lage ein solches Unternehmen wirklich rechtfertigt. Ich weiß ja nun nicht, wie Sie zu den Dichtungen und der künstlerischen Persönlichkeit von Frau L.-Schüler stehen, jedenfalls erlauben Sie mir, Ihnen einen Plan von uns zu er zählen: wir möchten unsern Teil an dem Werke für L.-Sch. beitragen und planen eine Versteigerung von freiwillig zu diesem Zwecke ge spendeten Arbeiten, deren Reinerlös dem Fond des Aufrufes über wiesen werden soll. Dr. P.F. Schmidt v. ›neuen Kunstsalon‹ in München, Königinstraße 44 hat mit Freuden das Geschäftliche der Versteigerung übernommen, eine Reihe von Werken sind auch schon gesichert, – wollen Sie sich nicht daran beteiligen? Wenn ja, senden Sie doch (mit Berufung auf den Zweck der Sammlung) etwas an die obige Adresse des Herrn Dr. P.F. Schmidt, – möglichst bald, da die Versteigerung schon bald geplant ist. Frau Lasker-Schüler darf von dem Plane keinesfalls voraus was erfahren, sie ist sehr krank. Mit Wiederholung der Hoffnung, die ich eingangs des Briefes aussprach, grüße ich Sie recht herzlich

Ihr erg. F. Marc

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 82.
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