243 [202] Postkarte an Elisabeth Macke

Hagéville, 22.10.1914


Liebe Lisbeth, mit Schrecken erfuhr ich letzthin durch Maria, daß Ihr eine Sendung an August mit dem Vermerk ›Verwundet, Lazarett unbekannt‹ zurückgesandt bekamt, – ich traute mich nicht, Dir gleich zu schreiben; ich trug ein dumpfes Gefühl von Angst die ganzen Tage mit mir herum; heute schreibt Campendonk auch in einer ungewissen Angst über Augusts Schicksal, daß ich nun ganz deprimiert bin. Ach liebe, gute Lisbeth, könnt ich Dir sagen, wie ich mit Dir und an meinem eigenen Herzen an dieser Nachricht leide! Es ist[202] mir, wie wenn ich innerlich blute, wenn ich an August denke, und ich denke immerwährend an ihn! Wenn es doch nicht so schlimm wäre, – schreib mir ja gleich, wenn du was Tröstliches schreiben kannst. Heute zittert wieder alles vom fernen Donner von Verdun, – ich wollte, es wäre wie sonst der Donner, der mich mit zittern macht, aber diesmal ist es die Angst um meinen guten einzigen Freund, den ich im Leben habe, und um Dich mit, was mich zittern macht; siehst Du August, – und ich vermute, Du bist bei ihm im Lazarett –, so grüße ihn so herzlich, wie Du kannst, von mir. Ich werde nicht wieder ruhig und fröhlich, ehe ich nichts Gutes von ihm höre ...

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Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 202-203.
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