Franz Marc

[13]  

Sindelsdorf, Station Penzberg


Lieber Herr Macke,


wie geht es Ihnen wohl? Und Ihrer lieben Frau? Wir denken viel an Sie und reden von Ihnen, mit dem aufrichtigen Wunsche, dass man sich öfters sehen könnte.

Was macht die Malerei? Was Sie davon in Ihrem Brief schrieben, klang etwas gedrückt; es täte mir leid, wenn diese Stimmung andauerte. Wenn Sie's handgross nicht herausbringen, malen Sie's wandgross, lieber als ewig an kleinen Sachen hartnäckig herumpöttern. Aber Sie werden inzwischen schon manches gemacht haben. Ich bin hier sehr fleissig, an ein paar sehr grossen und vielen kleineren Sachen. Ich stelle an meine Vorstellungskraft wieder die unverschämtesten Anforderungen und lasse alles andere, Theorie und Naturstudium, wie Sie's verstehen, hintan. Ich kann nur so arbeiten, völlig aus meinem Vorstellungsvermögen heraus, das ich ohne Unterlass füttere, – ausser in den Arbeitsstunden. Freilich stelle ich mich beim Arbeiten fast stets vor die Natur, vor mein ›Motiv‹! Es ist zuweilen recht lächerlich, einem Maler in's Handwerk zu sehen, ich denk es oft. Niemand ist willenloser als wir; und gerade uns hält man immer für so ›bewusst‹, wir selbst nicht am wenigsten!

Frl. Franck ist seit gestern in Berlin, für vierzehn Tage zu Ihren Eltern, und wird Herrn Koehler besuchen. Ich bin sehr neugierig auf ihre Erzählungen. 1. bis 22. Mai ist bei Thannhauser die Manet-Ausstellung; ich freu mich riesig darauf.[13]

Verleger Piper schenkte mir vor ein paar Tagen die grosse Ausgabe (Meier-Graefe-Klossowski) der Cheramy-Sammlung, in der neben anderen zwei Dutzend Delacroixbilder in wunderbaren Lichtdrucken reproduziert sind. Er gab es mir als Gegengabe für die Titelblattzeichnung, die ich ihm für sein bald erscheinendes Tierbuch zeichnete (nach einem Pferdebild von Delacroix).

Ich habe meinen halben ›Hausstand‹ nach Sindelsdorf herausgeschafft und fühle mich so wohl und gemütlich hier, dass ich an kein München mehr denken mag. Wenn Sie uns einmal besuchen, sollen Sie's auch gemütlich haben. Jetzt ist freilich kein dran Denken; Sie werden von Ihrer Frau nicht weggehen und selbst Ruhe haben wollen. Wollen Sie Ihrer verehrten Frau die herzlichsten Wünsche für Ihr Wohlergehen von mir sagen? Seien Sie beide freundschaftlich gegrüsst von Ihrem

Frz. Marc


PS. Beigeklebtes Stilleben interessiert Sie vielleicht. Es ist die Reproduktion nach einem Stilleben von Hans Brühlmann, der damals bei Brakl die schöne Ausstellung hatte.

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 13-14.
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