〈26. Text zum Subskriptionsprospekt des Almanachs*

Die Kunst geht heute Wege, von denen unsere Väter sich nichts träumen ließen; man steht vor den neuen Werken wie im Traum und hört die apokalyptischen Reiter in den Lüften; man fühlt eine künstlerische Spannung über ganz Europa, – überall winken neue Künstler sich zu: ein Blick, ein Händedruck genügt, um sich zu verstehen!

Wir wissen, daß die Grundideen von dem, was heute gefühlt und geschaffen wird, schon vor uns bestanden haben und weisen mit Betonung darauf hin, daß sie in ihrem Wesen nicht neu sind; aber die Tatsache, daß neue Formen heute an allen Enden Europas hervorsprießen wie eine schöne, ungeahnte Saat, das muß verkündet werden und auf all die Stellen muß hingewiesen werden, wo Neues entsteht.

Aus dem Bewußtsein dieses geheimen Zusammenhanges der neuen künstlerischen Produktion wuchs die Idee des ›BLAUEN REITERS‹. Er soll der Ruf werden, der die Künstler sammelt, die zur neuen Zeit gehören, und der die Ohren der Laien weckt. Die Bücher des ›BLAUEN REITERS‹ werden ausschließlich von Künstlern geschaffen und geleitet. Das hiermit angekündigte erste Buch, dem andere in zwanglo ser Reihe folgen sollen, umfaßt die neueste malerische Bewegung in Frankreich, Deutschland und Rußland und zeigt ihre feinen Verbindungsfaden mit der Gotik und den Primitiven, mit Afrika und dem großen Orient, mit der so ausdrucksstarken ursprünglichen Volkskunst und Kinderkunst, besonders mit der modernsten musikalischen Bewegung in Europa und den neuen Bühnenideen unserer Zeit.[150]


* Text zum Subskriptionsprospekt des Almanachs (Januar 1912)

Faltblatt von vier Seiten (unsere Abb. 14)

Unterzeichnet: »Franz Marc.«

Manuskript verschollen


  • Subskriptionsprospekt zum Almanach 'Der Blaue Reiter', 1912
    Subskriptionsprospekt zum Almanach 'Der Blaue Reiter', 1912

Quelle:
Franz Marc: Schriften. Köln: DuMont, 1978.
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